VON TANJA GOLDBECHER UND JULIA LAPPERT
Knapp zwei Wochen vor der sächsischen Landtagswahl haben die drei Chefredakteure der großen sächsischen Zeitungen die beiden Kontrahenten, Ministerpräsident Stanislaw Tillich (CDU) und Oppositionsführer Rico Gebhardt (Die Linke), in Dresden ins Kreuzverhör genommen. Im Publikum saßen rund 450 Leser der drei Zeitungen und sehr viele Journalisten. Auch die beiden Volontärinnen Tanja Goldbecher und Julia Lappert waren bei dem exklusiven Event.
Twitter-Tussi und Trüffelschwein
Zeit, um sich die beiden Politiker genau anzuschauen, bleibt uns aber nicht. Julia twitterte über den Account der “Freien Presse”, Tanja machte sich nach der Veranstaltung auf die Suche nach Lesern, die erzählen sollten, welchen Eindruck sie von der Wahl-Debatte hatten.

Die drei Chefredakteure Torsten Kleditzsch von der “Freien Presse”, Uwe Vetterick von der “Sächsischen Zeitung” und Jan Emendörfer von der “Leipziger Volkszeitung” nehmen die Kandidaten in die Mangel.
Die Leserin vor der Debatte
Eine halbe Stunde vor Beginn der Debatte sichert sich Angelika Beer einen Platz in der dritten Reihe. Sie ist 59 Jahre alt und aus Chemnitz angereist. Ihre Karte hat sie über die „Freie Presse“ bekommen und damit Glück gehabt. Denn insgesamt verschenkte jede der drei Zeitungen jeweils nur 150 Freikarten an ihre Leser. Ein Porträt der beiden Politiker hat Beer bereits in der Zeitung gelesen. Aber sie will sich selber überzeugen, wer der bessere Kandidat für den Posten des Ministerpräsidenten ist. Neben ihr nehmen viele ältere Menschen Platz. Journalisten und Politiker füllen die ersten beiden Reihen auf.
Immer mehr Menschen kommen in den Saal. Zeit ein erstes Bild zu twittern. Über den Kurznachrichtendienst halten wir alle, die nicht bei der Debatte dabei sein können mit den Themenblöcken und wichtigsten Thesen von Gebhardt und Tillich zusammen. Politiker-Sprech in knackige 140 Zeichen zu packen, kann eine ganz schöne Herausforderung sein. Interpretieren dürfen wir die Zitate natürlich nicht. Zu groß ist die Gefahr, dass man sich mit einer Wertung auf die eine oder andere Seite schlagen könnte. Viele andere Politiker, Journalisten und auch ein paar Leser diskutierten über Twitter mit – und wünschen sich einen Live-Stream, um die Debatte komplett mitverfolgen zu können.
Applaus, bitte!
Die Fragen der drei Moderatoren bringen die Diskussion nicht nur in Gang, sondern lockern die Stimmung auch gewaltig auf. Allen voran Uwe Vetterick von der “Sächsischen Zeitung” schafft es, Tillich und Gebhardt ein Verlegenheitsgrinsen abzugewinnen. Leises Gelächter zieht immer wieder durch die Reihen der Leser. Unterstützender Applaus kommt abwechselnd vom linken Zuschauerflügel und von der großen Masse in der Mitte des Saals. In der Diskussion werden politische Widersprüche aufgezeigt, die tatsächlich nur belächelt werden können. Ist die Linke nun für mehr Polizeieinsatz oder dagegen? Und kennt die CDU den Unterschied zwischen Marihuana und Crystal Meth?
Vorallem die Accounts der CDU-Fraktion und der Linken sind besonders aktiv dabei an diesem Abend. Sie favourisieren Tweets von uns – oder beschweren sich auch ganz schnell, wenn sie meinen, dass ihr Kandidat ein wenig zu kurz kommt. Obwohl die beiden Kandidaten unterschiedlich lange sprechen, müssen wir versuchen, keinem zu viel Raum zu geben. Ein guter Vergleich sind die Accounts der “Sächsischen Zeitung” und der “Leipziger Volkszeitung”, die ähnliche Inhalte twittern wie wir. Auch Anhänger und Politiker der Grünen und der SPD sind im Saal und zeigen über den Kurznachrichtendienst ihr Interesse an der Veranstaltung. Dieser Abend beschert dem Twitter-Account der “Freien Presse” knapp hundert Follower mehr.
Die Leserin nach der Debatte
Für Angelika Beer ist die Debatte spannend verlaufen. Sie glaubt, dass sich der Ministerpräsident souveräner dargestellt hat. Rico Gebhardt erschien ihr sehr aufgeregt. Ihrer Meinung nach haben beide viele Fragen nicht beantwortet. Und das Thema Mindestlohn wurde gar nicht diskutiert. Ihre Wahlentscheidung hat sich jetzt nicht geändert. Tatsächlich haben viele Menschen nach dem Duell gesagt, dass die Debatte interessant war, aber nichts Grundlegendes für sie ändert. Für viele sind nicht nur die Spitzenkandidaten entscheidend, sondern die politische Ausrichtung der Partei ist es.
Leider stürmen die meisten Zuschauer sofort aus dem Saal – sicher mit Blick auf den langen Heimweg. Eine ausführliche Umfrage wird schwer. Über Twitter läuft die Diskussion zwar weiter, aber wäre es nicht cool, sich dabei zur Abwechslung auch mal in die Augen zu sehen?
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