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Brüssel – So weit weg und doch ganz nah

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VON CORNELIA HENNERSDORF
 “Einmal von Chemnitz nach Brüssel bitte!” – “Sehr gern! Einmal gen Westen, quer durch Deutschland, rund 730 Kilometer.”
Direkt neben den hohen Glasfassaden zeigen kleinere, bunte historische Häuser, dass man sich tatsächlich in Belgien befindet.

Direkt neben den hohen Glasfassaden der EU-Gebäude zeigen kleinere, bunte historische Häuser, dass man sich tatsächlich in Belgien befindet.

Katzensprung? Gefühlt ist Brüssel, das Headquarter der Europäischen Union, unendlich weit weg von unserer sächsischen Provinz – und den Themen, um die sich unser Tagesgeschäft im Lokaljournalismus dreht. Dass die Gesetze, die in der belgischen Hauptstadt gemacht werden, aber sehr wohl Auswirkungen auch auf die kleinsten sächsischen Gemeinden haben, ist einem oft nicht so bewusst.

Deshalb laden die Presse-Mitarbeiter von Europäischer Kommission und Europäischem Parlament zweimal im Jahr Volontäre – vermeintlich junge, frische, unvoreingenommene und unversaute Journalisten – auf eine zweitägige Bildungsreise nach Brüssel ein. Anfang April durfte ich dabei sein und mir den ganzen Brüssel-Rummel gemeinsam mit Volontären von Tagesspiegel, Berliner Zeitung, Mitteldeutscher Zeitung, Emder Zeitung, Lübecker Nachrichten, Kieler Nachrichten, der Hannoverschen Allgemeinen, der Märkischen Allgemeinen und anderen anschauen.

Tag 1: Die EU-Kommission entwirft die Gesetze und kontrolliert sie. Als Erfolg gilt, wenn ein Vorschlag tatsächlich zum Gesetz wird.

Am ersten Tag haben uns drei Abgeordnete der Kommission von ihrer Arbeit berichtet: Michel-Eric Dufeil von der Generaldirektion Regionalpolitik und Stadtentwicklung meint: “Die Regionalpolitik ist die einzige EU-Politik, die direkt an die Bürger herankommt, weil sie konkrete Projekte unterstützt.” Laut Dufeil wurden in den vergangenen sieben Jahren allein in Deutschland 300.000 bis 400.000 Projekte finanziert. “Nicht alle Projekte sind erfolgreich, aber wenn 60 % davon erfolgreich sind, haben wir mehr geschafft, als wenn wir gar nichts gefördert hätten”, sagt Dufeil. Willi Schulz-Greve von der Generaldirektion Landwirtschaft und ländliche Entwicklung, wie das Bilaterale Freihandelsabkommen zwischen Europa und den USA derzeit verhandelt wird. Als dritte erklärte Edith Hofer, Assistentin des Generaldirektors für Energie, Dominique Ristori, die Ziele der europäischen Energiepolitik: Wettbewerbsfähigkeit, Versorgungssicherheit und Nachhaltigkeit. Alles, “um den Strompreis nicht explodieren zu lassen”, sagt sie.

Tag 2: Das EU-Parlament prüft die Gesetzesentwürfe, macht Änderungsvorschläge, stimmt zu oder lehnt sie ab. Die Parlamentarier müssen im Parlament so viele Mehrheiten wie möglich für ihren Standpunkt zu einem Gesetzesentwurf gewinnen. Gelingt das, zählt es als Erfolg.

Fünf deutsche Parlamentarier haben sich Zeit genommen, uns aus ihrem Ressort zu erzählen.

  • Knut Fleckenstein (SPD, Hamburg) ist Mitglied im Verkehrsausschuss und Vorsitzender der EU-Russland-Delegation.  Es sei sein “Traumjob, Kompromisse mit Menschen aus 27 anderen Ländern zu finden”. Im Parlament seit: 2009
  • Helmut Scholz (Die LInke, Landkreis Dahme-Spreewald) ist Mitglied im Handelsausschuss und der deutsch-amerikanischen Delegation. Ihm ist durchaus bewusst, dass “für viele Brüssel wie ein Nebel ist” und dem deutschen Bürger kaum ein Abgeordneter bekannt ist, weil gar nicht mehr kommuniziert werde, wer eigentlich was macht, sagt er. Im Parlament seit: 2009
  • Gesine Meißner (FDP, Hamburg, Niedersachsen), einst freiberufliche Kommunikationstrainerin, ist im Verkehrsausschuss tätig und Mitglied in der lateinamerikanischen Delegation. Sie kennt sich in den Themen Fischerei und Integrierte Meerespolitik aus. Für den Fall, dass sie nicht wiedergewählt werden sollte, sagt sie, habe sie immer einen Plan B. Im Parlament seit: 2009
  • Helga Trüpel (Grüne, Bremen) hat in Literaturwissenschaften promoviert und ist im Europäischen Parlament stellvertretende Vorsitzende des Kultur und Bildungsausschusses und Mitglied in der China-Delegation. Im Parlament seit: 2004
  • Werner Kuhn (CDU, Mecklenburg-Vorpommern) ist Ingenieur und Mecklenburg-Vorpommer mit Leib und Seele. Bevor er Mitglied im Verkehrs- und im Fischereiausschuss wurde, saß er auch im Landtag und im Bundestag. Einst hat er in einer Schiffbau-Werft gearbeitet. Im Parlament seit: 2009

Leider haben wir auf unserer kurzen Reise keinen Abgeordneten aus Sachsen getroffen. Klar geworden ist trotzdem: Sie alle vertreten im Parlament die Interessen der EU, müssen in EU-Dimensionen denken, planen und verhandeln. Gleichzeitig wollen sie in ihrem jeweiligen Wahlkreis in Deutschland für ihre Bürger da sein und deren Anliegen ernst nehmen. Wenn das kein Spagat im Kopf ist!  Am Sonntag wird sich zeigen, wer von den Parlamentariern seinen Posten räumen muss, und wer noch eine Runde drehen darf.

Die Fotogalerie gibt einen kleinen Einblick in zwei Tage Brüssel. Weiter unten gibts Links zu Recherchequellen, Kontakte zu Pressestellen und zu kostenlosem Fotomaterial.

Gigantisch sind in Brüssel die Dimensionen, die das EU-Viertel in Brüssel einnimmt. Hier: das Gebäude der Europäischen Kommission. Direkt neben den hohen Glasfassaden zeigen kleinere, bunte historische Häuser, dass man sich tatsächlich in Belgien befindet. Als eine von 16 Volontären schaute ich mir zwei Tage lang an, wie EU-Politik funktioniert. Der Pressesaal der Europäischen Kommission: Hier findet täglich 12 Uhr eine Pressekonferenz statt. An den Sitzen befinden sich Kopfhörer, über die man das Gesprochene auf Englisch oder Französisch hören kann. Hinter den Glasscheiben oben sitzen die Dolmetscher. Auf ein Bier mit einem Abgeordneten: In diesem Irish Pub gleich neben der Kommission ist ab mittags richtig was los. Die Rue Franklin: Auch hier wimmelt es mittags vor wichtigen Leuten. Ob Pressesprecher, Journalisten, Lobbyisten oder Abgeordnete: In Brüssel trifft man sich öfter in Cafés und Restaurants als in klimatisierten Büros. Im feinen Hotel L' Atelier wurden auch wir erwartet... ...und mit einem feinen Aperetivo begrüßt. Dann wurden wir in diesem vornehmen Saal mit einem Drei-Gänge-Menü bewirtet... während Mina Andreeva von ihrer Arbeit als Pressesprecherin von Viviane Reding, Vizepräsidentin der Europäischen Kommission und Kommissarin für das Ressort Justiz, Grundrechte und Bürgerschaft, berichtete. Die zwölf gelben Sterne auf blauem Untergrund prangen an so ziemlich jeder Tür. Besucher müssen überall zuerst durch eine Sicherheitskontrolle, bevor sie durch die heiligen Hallen der EU wandeln dürfen. Gesichter einer anderen Welt: Dass José Manuel Barroso Präsident der Europäischen Kommission und Viviane Reding die Vize ist: Ok, soweit wusste ich Bescheid. Auch von Energiekommissar Günther Oettinger hat man schon mal was gehört. Aber der Rest? Nach einem umfangreichen Programm in der Kommission, war es abends Zeit, die Stadt zu erkunden. Blick auf die Kathedrale St. Michael und St. Gudula Der Große Platz im Herzen der Stadt. Das gotische Rathaus ist nachts eindrucksvoll beleuchtet. Und der Manneken Pis? ISt natürlich viel kleiner als erwartet. ...aber trotzdem schön, ihn mal live gesehen zu haben. Eine Straßenecke weiter ziert er gleich nochmal eine ganze Hauswand. Tag 2: Arbeitsstimmung in Brüssel. Wir sind auf dem Weg ins Europäische Parlament. Auch das Parlament lässt sich nicht lumpen: Glas, wo das Auge hinreicht. und was soll dieses pompöse Schlößchen mittendrin? Ach natürlich, es ist die Ständige Vertretung des Bundeslandes Bayern, die hier vor Ort die Interessen seines Landes vertritt. Hier spricht man wohl von Schloss "NeuWAHNstein", verrät uns eine Insiderin. Typisch auch für die Stadt: Die Radfahrer tragen leuchtende Warnwesten. In diesem Konferenzraum haben wir mit insgesamt fünf deutschen EU-Parlamentariern darüber gesprochen, was sie hier eigentlich tun. Wahlwerbung überall. Besonders viel Zeit diese zu studieren hat man, wenn man im täglichen Nachmittagsstau steht. Wir haben auf der Pressetribüne Platz genommen und eine kleine Plenarsitzung besucht. Wer da worüber sprach und wie das einzuordnen war, haben wir nicht so recht rausgefunden. Aber es waren auch nur rund 30 der 766 Plätze besetzt. Brüssel - eine schöne Stadt, für die ich gern mehr Zeit gehabt hätte. Das Herzstück des Europäischen Parlaments: Wenn wirklich alle da sind, sind hier 766 Plätze besetzt.

 

Links und Recherchequellen:

Der Europa-Server: Pressemitteilungen aller EU-Institutionen, Kontakte zu Sprechern in Brüssel, Suchmaschine zur Themenrecherche: http://ec.europa.eu/dgs/communication/services/journalist/index_de.htm

Die Europäische Kommission: direkte Kontakte aller Pressesprecher der einzelnen EU-Kommissare: http://ec.europa.eu/dgs/communication/about/contact_us/ec_spokespersons/en.htm

Der Energie-Kommissar Günther Öttinger: http://ec.europa.eu/commission_2010-2014/oettinger/index_de.htm

Die deutsche Vertretung der EU-Kommission: Aktuelle Pressemitteilungen und -termine, Newsletter, regionale Informationen, die Pressestelle vermittelt Ansprechpartner, Interviews und O-Töne: www.eu-kommission.de

EU-Neuigkeiten mit Deutschland-Bezug: aktuelle Pressemitteilungen, 14-tägige Terminvorschau:
http://ec.europa.eu/deutschland/press/pr_releases/terminvorschau_de.htm

Sachsen und die EU: alle EU-Themen, die auch Sachsen betreffen http://regionalportal.eu-kommission.de/index.php?id=151

Frei nutzbare AV-Bibliothek: Foto-, Audio- und Videomaterial kann kostenlos genutzt werden:
http://ec.europa.eu/avservices/

Historisches Archiv der Kommission: http://ec.europa.eu/avservices/ebs/schedule.cfm

Überblick zum Status von Gesetzesentwürfen: Wo stehen die Verhandlungen zu einem bestimmten Thema? www.europarl.europa.eu/oeil/home/home.do


Tagged: Belgien, Bilder, Brüssel, Chemnitz, Cornelia Hennersdorf, EU, Europäische Kommission, Europäisches Parlament, Freie Presse, Volos

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