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Sonntags aufschreiben – Montag im Kasten!

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Von Tanja Goldbecher, Sebastian Siebertz und Eva Marie Stegmann.

Frau Müller ist Rentnerin. Jeden Morgen stapft sie gegen 6.30 Uhr zum Briefkasten: Voilà! Da ist die Freie Presse hinein geflattert. Jetzt erst mal frühstücken und Zeitung lesen. Wie Frau Müller auch am Montagmorgen zu ihrer Lektüre kommt, zeigen drei Volontäre aus dem hügeligen Vogtland, vom umkämpften Spielfeld und aus der streng geheimen Zentrale.

Montagmorgen sind die Schaukästen gefüllt. Sonntagsdienst ist das Stichwort. Foto: T. Goldbecher

Montagmorgen sind die Schaukästen der Freien Presse gefüllt. Dafür müssen die Redakteure und freien Mitarbeiter auch am Wochenende ins Büro.  Foto: T. Goldbecher


Die Logik im Freie-Presse-System: Freitag wird die Zeitung für Samstag konzipiert. Und sonntags sammeln sich Redakteure und Freie Mitarbeiter, um die Zeitung für Montag zu füllen. Jetzt die Quizfrage: Wann wird an der Zeitung für Sonntag gearbeitet?

Auf ins Vogtland!

Am Wochenende überschlagen sich die Termine: Tattoo-Messe, Kräuterwanderung, 80er-Jahre-Party … Überall wurden die Schreiberlinge hingeschickt. Am Sonntag sollen sie mit vollgekritzelten Notizblöcken in die kuschlige Redaktion pilgern. Dann hämmern die Fingerspitzen auf die Tastatur. Was? Ist es wirklich schon so spät? Mittagspause!

Jetzt eröffnet sich Problem Nummer 1:

Der Döner-Mann mit den leckeren Ofenkartoffeln hat sonntags zu. Da muss man also wieder ein Pausenbrot schmieren. Beim nächsten Mal also besser vorbereitet sein.

Es geht weiter: Texte kommen nur sporadisch, aber sie kommen. Nun beginnt der Lesespaß. Was will der Autor damit sagen? Und warum wurde das Stadtfest verschoben?

Da ist er wieder: Plauens stadtbekannter Straßenmusiker. Auch er muss sonntags arbeiten. Im Büro singen schon die Ersten mit. Foto: T. Goldbecher

Da ist er wieder: Plauens stadtbekannter Straßenmusiker. Auch er muss sonntags arbeiten. Im Büro singen schon die Ersten mit. Foto: T. Goldbecher

Problem Nummer 2:

Es klingelt und klingelt und noch immer nimmt niemand den blöden Hörer ab. Ach ja, die meisten Menschen haben sonntags etwas Besseres zu tun, als im Büro zu sitzen. Die Fragen der Presse werden erst am Montag beantwortet.

Keine Panik. Ein Blick ins sagenhafte Archiv oder Googles Unterwelt könnte helfen. Wenn dort keine Weisheiten vergraben sind, erfolgt Notfallplan B: Die allwissende Person befragen! Sie weiß über alles Bescheid und die Handynummer hat man für solche Momente mit rot notiert und dreimal abgespeichert. Puh, gerettet!

Die Uhr tickt, der Magen knurrt und die Lokalseite drei ist immer noch komplett leer. Die Finger zucken und nur eine Frage im Kopf: Wann kommt der Text über den Kinder-Workshop in den niedlichen Hexenhäusern, die mitten im Wald liegen? Jetzt wird Druck aufgebaut.

Denn Problem Nummer 3 rückt immer näher:

Tatort beginnt um 20.15 Uhr. Es ist aber schon 20.05 Uhr. Also gut, Redakteur-Superkräfte bitte. Sonst macht das Mörderraten keinen Sinn.

Das Wunder geschieht jede Woche: Alle Seiten sind mit Artikeln und Bildern gefüllt, der Rotstift hat zugeschlagen und die Druckerei setzt die Walzen in Bewegung: Wir drucken!

 

Auf zum Spielfeld!

Wochenende ist Sportzeit. Für die bekannten (Fußball-Bundesliga) oder die wahren Helden (alle anderen) der Bewegungskünste. Die Aufgabe der Sportredaktion, die am Sonntag in der Regel rund dreimal so viele Seiten produzieren muss wie sonst (sechs statt zwei), hat dabei mehrere Schwierigkeiten zu bewältigen.

1. Hintergrund: Die meisten Bundesliga-Partien sind am Samstag, auch die Wettbewerbe anderer Sportarten finden sonnabends statt. Wenn Montagmorgen also die Zeitung auf dem Tisch liegt, haben die Leser des Sportteils das Spiel entweder live im Stadion oder vor dem Fernsehen gesehen,  eine Zusammenfassung angeschaut oder im Internet einen Spielbericht gelesen. Das Zauberwort für einen Zeitungsjournalisten ist Hintergrund. Dem Sportinteressierten soll also eine Geschichte präsentiert werden, die er in Rundfunk und Internet so noch nicht gefunden hat. Besonders bei den regionalen Vereinen ist der Ansporn groß und jede Woche journalistische Kreativität gefragt.

2. Zeitdruck: Sportveranstaltungen richten sich nicht nach Andruckzeiten von Tageszeitungen (dieses Privileg besitzen nur die Fernsehstationen). So ist es auch für den Schreiberling durchaus sportlich, einen Artikel zu einem Ereignis in das Blatt zu bringen, das weniger als eine Stunde vor dem Druckstart erst zu Ende ist. Diese Schwierigkeit ist zwar auch unter der Woche, vor allem dank internationaler Wettbewerbe im Fußball, akut – aber durch die Masse an Sportnachrichten, die am Wochenende aus der Region und auch über die Agenturen eintrudelt, läuft die Uhr gegen die Redaktion gnadenlos Richtung Redaktionsschluss.

3. Überblick: Zahlen, Daten und Statistiken – das alles bietet das Internet sicherlich schneller und aktueller als ein Printprodukt. Doch der Überblick über sämtliche Tabellen und Ergebnisse aus regionalem, nationalem sowie internationalem Sport und das übersichtlich und kompakt aufgearbeitet, ist ein Service, der in keiner Montagsausgabe fehlen sollte. Jemand muss sich also durch das Zahlenmeer kämpfen, das hauseigene Sporttabellen-System füttern und dann überprüfen, ob auch alles an der gewünschten Stelle steht und auch optisch den gewünschten Überblick bietet.  Eine wahre Hausfrauen/männer-Arbeit: Wenn alles funktioniert, merkt es keiner, weil es selbstverständlich erscheint. Mogelt sich ein Fehler ein, darf man sicher sein, dass es unter Garantie jemanden stört.

Fazit: Bei allen Schwierigkeiten, die der Sonntagsdienst für einen Sportredakteur bereithält, muss man als Interessierter doch zu dem Schluss kommen: Nur selber Sport machen ist schöner!

 

Auf in die Zentrale!

Das Newsdesk ist die Station, an der die Fäden zusammenlaufen. Drei Monate durfte ich am „Neuigkeitentisch“ der Freien Presse verbringen. Hier sitzen alle verantwortlichen Redakteure der Mantelressorts. Diejenigen, die die Seiten betreuen und entscheiden, ob der Streit um die Mütterrente einen Aufmacher – das bedeutet übersetzt: der große Text, der oben auf der Seite steht – oder nur eine kleine Meldung wert ist. Ob das Bild vom süßen Katzenbaby auf der Seite „Aus aller Welt“ sinnvoll platziert ist – oder einfach keinen Nachrichtenwert hat und deshalb ganz raus muss. Für den, der keine Affinität zur hohen Kunst des Multitaskings hat, wird das Newsdesk zur echten Herausforderung. Die Nachrichtenagenturen, die im Minutentakt neue Meldungen aus Politik, Wirtschaft und Sport ausspucken, wollen stets beobachtet werden. Mit Kollegen muss debattiert werden. Zeitgleich warten Texte darauf, Korrektur gelesen zu werden. Parallel läuft die manchmal köpfchenzerbrechende Suche nach wohl formulierten Überschriften und leseanreizenden Vorspännen. Agentur aktualisieren, Kollegen zuhören, das „a“ zu viel aus einem Satz raustreichen, Agentur aktualisieren, nachrichtenrelevante Bilder suchen, in der Konferenz seine Vorschläge verteidigen. Aktualisieren.  Debattieren – Am Wochenende steht die Welt nicht still. Unglücke geschehen, Katzenbabys werden geboren, Parlamente gewählt. Wer an einem Wochenende am Neuigkeitentisch zum Dienst eingeteilt ist, der vergisst mitunter, dass nicht Montag, sondern Sonntag ist. So soll es schon vorgekommen sein, dass Kollegen (ich rede hier keinesfalls und unter keinen Umständen von meiner Person) auf Nahrungssuche eiskalt davon überrascht wurden, dass nicht nur der Rewe, sondern auch der Bäcker und der Rossmann um die Ecke geschlossen haben.  Lang geknurrt hat mein Bauch jedoch nie während der Sonntagsdienste. In unserem Süßigkeitenkorb liegen meistens Kuchen, Kekse oder Gummibärchen für alle. Sonntags wie Montags wie Dienstags…


Tagged: Arbeiten, Chemnitz, Freie Presse, Plauen, Sonntag, Sonntagsdienst, Sport, Vogtland, Volontäre, Zeitung, Zeitung machen

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