Anika Heber, 27 Jahre jung, Ex-Volontärin bei der “Freien Presse”, arbeitet seit ein paar Monaten als Reporterin in der Oelsnitzer Lokalredaktion. Jürgen Freitag sprach mit ihr über Kinder, Partysemester und mysteriöse Todesfälle.

Anika Heber, 27 Jahre alt, ist frischgebackene “Freie Presse”-Redakteurin im Vogtland. Fotos: Harald Sulski
Jürgen Freitag: Du hast im Vorfeld Plätzchen und Kätzchen gewünscht. Getreu dem Mariah-Carey-Motto: Ohne abgefahrene Forderungen kein Interview. Leider habe ich nur ein paar Taschentücher mitgebracht – falls es emotional wird. Dein Wunschkatalog führt mich aber zur ersten Frage: Braucht es als Journalistin Diva-Qualitäten? Stichwort: Frauen in Führungspositionen.
Anika Heber: Eine Diva ist für mich eine Frau, die schwierig ist im Umgang. Das ist keine gute Eigenschaft für eine Journalistin. Ich würde nur insofern zustimmen, als dass man einen Standpunkt, eine Meinung haben sollte. Und die muss ich auch vertreten. Das Wort „aber“ zu sagen, und seinen Standpunkt zu begründen, das ist wichtig. Dass es nur wenige Journalistinnen in Führungspositionen gibt, liegt eher an sozialen Aspekten wie der Familienplanung.
Das heißt?
Mit dem klassischen Familienbild von Mann und zwei Kindern ist der Job nur schwer zu vereinbaren. Lange Arbeitstage, die erst spät abends enden; nicht die beste Ausgangslage. Es bräuchte einen Mann, der geregelte Arbeitszeiten hat oder der freiberuflich tätig ist. Oder man hat Großeltern vor Ort, die mithelfen können. Und selbst dann ist es schwierig.
Du hast Journalistik in Leipzig studiert. Ein schlauer Satz aus der Medienwissenschaft lautet: „Man kann nicht nicht kommunizieren.“
Ja, auf non-verbale Kommunikation achte ich zum Beispiel, wenn ich Interviews führe. Schaut dich der Interviewpartner an, wenn er spricht oder nicht? Geht der Augenkontakt verloren, kann das ein Indiz sein, dass etwas nicht stimmt. Oder dass das Thema meinem Gegenüber unangenehm ist.
Deine Menschenkenntnis konntest du sicher auch schärfen, als du für ein Auslandssemesters in Lissabon warst. Hand aufs Herz, auf wie vielen Erasmus-Partys warst du in den sechs Monaten?
Das waren gar nicht so viele.
Sonst heißt es immer, Erasmus-Studenten feiern nur.
Lissabon und Portugal sind nicht die klassischen Erasmus-Ziele, anders als zum Beispiel Spanien. Es gab nur wenige ausländische Studenten in der Stadt. Einmal im Monat war eine Party, da sind wir auch regelmäßig hingegangen. Es war also kein Spaßsemester. Ich hatte sogar deutlich mehr Semesterwochenstunden als in Leipzig.
Deine Diplomarbeit hat den Titel: „Eine Untersuchung von Attributionsprozessen in der Live-Berichterstattung des Fernsehens über ausgewählte Wintersport-Veranstaltungen“. Bitte was? Eine Zusammenfassung in einem Satz.
(Lacht.) Die Arbeit beschäftigt sich mit Ursachenzuschreibungen von TV-Kommentatoren über Wintersportler und stellt dabei fest, dass die Reporter vor allem internale Ursachen für die Leistung und die Ergebnisse der Athleten nennen. (Anm. d. Red.: Internale Ursachen sind personenbedingte Gründe; externale Ursache meint situationsbedingt.)
Ah ja. Wie kamst du eigentlich zur Freien Presse?
Das ist meine Heimatzeitung, ich komme ja ursprünglich aus Crimmitschau. In der Lokalredaktion Zwickau habe ich dann auch während meines Studiums ein Praktikum gemacht. Als dann das Volontariat anstand, das in unser Journalistik-Studium integriert ist, wollte ich irgendwo hin, wo ich mich auskenne. Ich dachte, dadurch habe ich einen besseren Zugang zu den Menschen. Deshalb habe ich mich im Jahr 2009 bei der Freien Presse beworben. Und den Job glücklicherweise bekommen. Als das Volo vorbei war, bin ich erst einmal zurück nach Leipzig. Im Mai 2013 habe ich gesehen, dass eine Redakteurin für die Oelsnitzer Lokalredaktion gesucht wird. Weil Gehalt und Arbeitsbedingungen stimmten, habe mich wieder beworben und nun bin ich hier.
Vorher hast du gefühlt hunderte Praxis-Stationen durchlaufen – von der Deutschen Presse-Agentur bis zum Bundestag. Was war richtig scheiße?
Das Praktikum beim MDR war ein Flop.
Warum?
Es hat mir die Illusion vom Fernsehen geraubt. Bis zum Beginn des Praktikums stand für mich fest, als Sportjournalistin bei einem Fernsehsender zu arbeiten. Beim Praktikum habe ich gemerkt, dass die Arbeitsbedingungen nicht passen. Die Reporter, die die Beiträge machen, arbeiten nämlich größtenteils als freie Journalisten, während die Festangestellten oftmals nur noch Planungsaufgaben haben. Einerseits war es mir zu langweilig nur zu planen, andererseits war mir die Unsicherheit als Freie zu groß. Also musste ich meine Karriere als TV-Journalistin an den Nagel hängen.
Jetzt noch ein kleines Spielchen. Bitte ergänze: Die Freie Presse ist immer …
… auf der Höhe der Zeit.
Wenn meine Probezeit vorbei ist, werde ich …
… immer noch das gleiche machen wie jetzt. Also in der Oelsnitzer Lokalredaktion arbeiten.
In fünf Jahren bin ich garantiert …
… Besitzerin einer Louis-Vuitton-Handtasche. (Lacht.)
Wie teuer ist die denn?
Die kostet mehrere hundert Euro.
In der Grundschule wollte ich Bundeskanzler werden. Heute denke ich, Astronaut wäre – gleich nach Journalist – ein richtig cooler Job. Wo würdest du deine Brötchen verdienen, wenn es keine Redakteursstellen gäbe?
Och, das ist schwierig. Ich wollte eigentlich schon immer Journalistin werden. Vielleicht würde ich mein Geld erst mal wieder als Kellnerin verdienen. In der achten, neunten Klasse hatte ich auch eine Phase, wo ich unbedingt Gerichtsmedizinerin werden wollte. Das fand ich spannend. Die Leichen haben mich nicht gestört.
Anika, vielen Dank für das Interview.
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