Mein Weg zur Freien Presse führt mich vom Allgäu über die Autobahn nach Chemnitz. Aber seit ich in der ehemaligen Karl-Marx-Stadt wohne, fahre ich weniger.
Wenn ich nicht bei der Freien Presse gelandet wäre, wäre das wohl schade für beide Seiten, oder?
Mein erster veröffentlichter Artikel war ein Bericht über meinen Zivildienst in Peru. Ich hab mich damals wie ein richtiger Abenteurer gefühlt ;-)
Wenn ich Chefredakteur wäre, würde ich die Vierstunden-Woche einführen, es gäbe jeden Tag Stracciatella-Eis für alle und in einem Monat wäre die Zeitung am Rande der Pleite.
Wen ich am liebsten mal interviewen möchte: den Journalisten Helge Timmerberg. Aber bitte irgendwo in der marokkanischen Wüste, während wir auf Kamelen reitend eine verwunschene Stadt suchen.
Endlich ist es soweit: Die Volos der Freien Presse machen ab sofort Instagram unsicher. Immer wenn in der Region etwas spannendes oder kurioses passiert, dann sind wir mit dem Smartphone vor Ort und berichten, wie sich das für junge Leute gehört, via Instagram.
Erstes Projekt: Das Kosmos Chemnitz. Was könnte es auch für einen besseren Start geben? Wenn in Chemnitz schon mal was los ist und sich wieder etliche junge Leute in der Innenstadt tummeln, sind die Volos natürlich auch am Start.
Wer also nicht live dabei sein kann, wenn in Chemnitz das Kosmos gefeiert wird und sich Musikgrößen wie Tocotronic oder Alligatoah, Autoren und engagierte Leute sich die Klinke in die Hand geben, der kann das Spektakel auf Instagram verfolgen!
Benjamin Schmidt hat im Mai sein Volontariat bei „Freie Presse“ begonnen. Das hat er gelernt.
Viele Notizen und zwei Fragen
Zweiter Tag bei „FP“, erster Termin. Mit Block und Stift geht’s los. Eine Schule wurde gekürt als die fahrradfreundlichste der Republik. Eigentlich will ich nur wissen, was eine radfreundliche Schule ist und wie man diesen Preis gewinnt.
Statt der Antworten bekomme ich hunderte Schüler in einer Aula. Sie berichten über Lernprojekte und was in der vergangenen Woche alles geschehen ist. Ich notiere fast jedes Wort, irgendwann habe ich vergessen, was ich überhaupt wissen wollte.
Nach einer Stunde mit Vorträgen und Applaus bekomme ich endlich eine Unterhaltung mit den Verantwortlichen. Die meisten Notizen davor hätte ich mir sparen können, aber das wusste ich erst hinterher.
Lektion 1: Vergiss nicht, welche Fragen Du eigentlich beantworten willst. Lektion 2: Egal wie viel Du notierst: Zu viel ist immer besser als zu wenig.
Die Sache mit den Politikern und dem Dankeschön
Wenn morgens Anzug-Männer an Spielplatz-Rutschen stehen ist klar: Diese Anlage wird gerade eröffnet. Umringt von Wippe, Schaukel und Sandkasten hält der Bürgermeister eine Rede und lobt jeden, der einen Beitrag zum Bau geleistet hat. Dankbar notiere ich alles, über ein leeres Blatt muss ich mir keine Sorgen mehr machen.
Zurück in der Redaktion. Warum steht in meinem Artikel ein Dank an Unternehmer, die für den Spielplatz Geld kassiert haben, werde ich gefragt. Und warum darf der Bürgermeister so viel sagen? Habe ich keine Anekdoten, Kinderstimmen oder Meinungen der Anwohner? Habe ich zum Glück.
Lektion 3: Keine Danksagungen, wenn Menschen einfach ihren Job gemacht haben.
Lektion 4: Politiker dürfen nur in den Text, wenn sie wirklich was zu sagen haben.
Das Diktat in den Block
Der Aldi will umziehen. Vom Stadtrand will er einige hundert Meter ins Zentrum wandern, Widerstand regt sich. Geschäftstreibende haben Angst vor Umsatzeinbußen, Anwohner vor Lärm und noch etwas.
Ich klopfe an die Tür eines Häuschens, an dessen Hecke ein Protest-Banner hängt. Ein netter Rentner öffnet. Wenn der Aldi kommt, sinkt der Wert seines Grundstücks, erzählt er. Ist notiert.
Nachmittags werde ich gefragt, ob der Grundstückspreis nicht auch steigen könne, wenn direkt nebenan ein Supermarkt steht. Verdammt. Könnte natürlich auch sein.
Lektion 5: Lass Dir nicht alles in den Block diktieren – denk nach bevor Du schreibst.
Das Leben als Volontär ist nicht leicht. Ständig müssen wir unsere Schreibtische räumen, immer wieder Ein- und Ausstände geben. Einen festen Arbeitsort bekommen wir nie. Denn mit jedem Quartal geht es für uns in eine neue Redaktion. Dann müssen wir uns wieder mit neuen Kollegen anfreunden, uns in eine neue Region einarbeiten, neue Themenideen auf den Tisch legen. Aber wie machen wir das eigentlich?
Los geht das ganze Wechselritual noch in der alten Redaktion. Denn bevor wir an unseren neuen Arbeitsplatz kommen, gibt es zunächst das obligatorische Telefonat einige Tage zuvor mit dem Leiter der nächsten Station. Es ist ein erster kurzer Blick in die Arbeitswelt, die für uns dann die nächsten drei Monate zum Alltag wird. Geklärt werden die wichtigsten Fragen wie: „Ich muss erst um 10 da sein, oder?“, „Wo kann ich bei euch parken“ und „Wie sieht’s bei euch mit Mittagessen aus?“ – das wichtigste eben, was für die Arbeit notwendig ist.
Einige Tage später ist es dann soweit. Auf dem Handy wird in Google Maps die Route zur neuen Redaktion angezeigt – und die Fahrtzeit dahin. „Mist, ich bin ja jetzt schon zu spät“, ist dann oft der erste Gedanke im Auto. In der neuen Stadt angekommen wird sich dann wahlweise auf den Parkplatz des nächsten Einkaufszentrums oder eben auf den eigentlich auf eine Stunde Parkdauer begrenzten Parkplatz direkt vor der Redaktion gestellt. Im Büro angekommen wird dann zuerst der Computer hochgefahren. Da das etwas dauern kann, folgt zunächst die Vorstellungsrunde bei den Kollegen. Die sind meist freundlich, oft sogar hilfreich und entgegenkommend. Eine zusätzliche Arbeitskraft ist schließlich immer gern gesehen.
Bei den ersten Gesprächen kommt dann meist auch direkt die ersten Aufgabe: „Geh doch erstmal raus und schau dir die Stadt an“, lautet diese. Wahlweise bei -20 Grad und Schneesturm oder +40 Grad im Schatten gibt es dann einen Stadtrundgang, ohne auch nur die leiseste Ahnung zu haben, wo eigentlich was zu finden ist. Doch meist fällt dabei auf: irgendwie ist jede Stadt gleich. Da gibt es den kleinen Marktplatz der nach so vielen Jahren jetzt ja endlich wieder etwas belebt ist – sogar ein neuer Italiener hat da jetzt aufgemacht! Dann die engen, halb leerstehenden, Ladenstraßen direkt daneben, auf denen oft zu viel Verkehr herrscht und alles vollgeparkt ist. Zu kaufen gibt es dort wahlweise Mode für ältere Damen oder Obst und Gemüse. Nach einem weiteren Abstecher zur großen Sehenswürdigkeit der Stadt – Museum, Turm oder Schloss – geht es dann wieder zurück in die Redaktion.
Dort ist der Computer inzwischen auch fertig mit hochfahren. So schön der Stadtrundgang auch war – sich in eine neue Region einzuarbeiten bedeutet trotzdem viel Arbeit. Jedes Thema, egal wie wichtig und bekannt unter den Einheimischen, ist für uns Volontäre neu. Also müssen wir uns einlesen oder uns die ganze Angelegenheit erklären lassen. Dafür gibt es meist diesen einen Stadtrat, der sich überall auskennt und ohnehin oft und gern redet. Oder den Ortschronisten. Das ist stets ein älterer Herr aus dem Geschichtsverein, der einfach alles über die Stadt weis – und das gern in stundenlangen Monologen erzählt.
Mit viel Geduld und noch mehr Zeit lernen wir Volontäre so die neue Region kennen. Wir lernen die wichtigen Themen kennen, wissen über alle guten Ansprechpartner. Natürlich dauert das. Eine ganze Weile sogar. Dafür gibt es bei uns eine alte Regel: Es dauert stets genau drei Monate, bis wir uns erfolgreich eingearbeitet haben. Drei Monate? Da war doch was… Ach ja, die nächste Redaktion wartet ja schon.
Ob für das Studium, für unbezahlte Praktika oder den Urlaub in der Wildnis – Überlebenstipps gibt es für fast alles. Und weil auch das Volontariat manchmal kein Zuckerschlecken ist, gibt es dafür jetzt auch Überlebenstipps!
Bildet ein Netzwerk!
Das hilft nicht nur bei der Recherche – so bleibt Ihr auch in Sachen Flurfunk immer bestens informiert. Ausgetauscht darf der neueste Gossip dann bei einem Bier mit den Volo-Kollegen werden.
Macht Euch ernsthafte Gedanken über Eure Mittagspause!
In Chemnitz lässt sich dieses Problem einfach lösen: Kantine, Bäcker oder Asia-Imbiss. Alles direkt um die Ecke. In den Lokalredaktionen sieht das aber anders aus. Da hilft es, selber zu kochen oder auf den mittelmäßigen Lieferdienst zurückzugreifen.
Seid aufmerksam, es könnte Kuchen geben!
Man munkelt in mancher Redaktion würde nicht nur gearbeitet, sondern auch viel gegessen. Dann gilt: Schnell sein. Sonst ist der Kuchen weg. Manche Kollegen liegen förmlich auf der Lauer.
Nehmt einen Kaffee mit in die Sitzungen!
Besonders die Planungssitzungen können mal ein bisschen länger dauern. Dann werden auch Dinge besprochen, die euch weniger betreffen. Um nicht von der Mittagsmüdigkeit überrannt zu werden, hilft ein starker Kaffee.
Bedenkt lange Dienstwege!
Die Kommunikation funktioniert bisweilen schleppend. Bedenkt das, wenn ihr dringende Antworten braucht oder ein wichtiges Anliegen habt. Meist hilft es auch, direkt anzurufen statt einer Mail zu schreiben. Dann werdet Ihr sicher nicht so schnell abgewimmelt. Das gilt übrigens nicht nur für die „Freie Presse“, sondern auch für Behörden.
Verlasst Euch nicht auf Bus und Bahn!
Ein eigenes Auto macht Euch die Dienstwege um einiges entspannter als die Bahn. Besonders, wenn ihr im Vogtland Station macht oder schnell mal einen Termin habt. Dienstautos gibt es nämlich nur in Chemnitz. Und die sind rar.
Habt immer einen Bleistift dabei!
Wusstet ihr, dass Kugelschreiber im Winter einfrieren können? Nein? Deshalb sagen wir es Euch jetzt. Besser ist es, immer einen Bleistift dabei zu haben. Der schreibt auch bei Regen, eisigen Temperaturen oder extremer Hitze.
Es gibt Termine, die machen irgenwie keinen Spaß. Aber andere hingegen erfüllen mich mit Vorfreude. So wie der, bei dem ich einen Nachmittag lang mit Alpakas unterwegs sein durfte. Ja, auch das gehört zum Volontariat. Ist das nicht super?
Zugegeben, das Volontariat ist manchmal anstrengend: Offene Themen auf dem Schreibtisch und immer kommen neue dazu, lange Fahrzeiten oder Recherchen, bei denen ich einfach nicht weiterkomme und den geplanten Text schweren Herzens einstampfen muss. Da kommen Termine zur Entspannung wirklich sehr gelegen. Einer davon stand vor kurzem fett in meinem Terminplaner: Eine Wanderung mit Alpakas. Und denen wird ja so was wie eine therapeutische Wunder-Entspannung nachgesagt. Die Vorfreude war dementsprechend groß.
Ich machte mich also auf zu den Miriquidi Alpakas von Babett Eckardt in Memmendorf. Auf einer weitläufigen Wiese am Ortseingang, direkt an der B 173, standen gut 15 Alpakas, frisch geschoren und unfassbar süß. Und so zutraulich und neugierig sind die Tiere. Zu meiner Freude war eine Runde streicheln kein Problem. Neben mir machte sich auch eine Familie mit drei Kindern mit auf Alpaka-Wanderschaft durch den Oederaner Stadtwald. Also los ging es: Halfter ran und ab in den Wald. Über umgestürzte Bäume, Gestrüpp und Waldwege spazierten wir durch den Wald – bis ein zu großer Baumstamm auf dem Waldboden den Spaziergang jäh beendete. Schade, aber immerhin waren es 30 Minuten Ruhe und Abschalten. Ein willkommener Gegensatz zu dem Programm, das sonst auf mich wartet.
Nach der kurzen Runde durch den Wald und jeder Menge spannender Infos über die Tiere, die aus Südamerika stammen, bin ich dann tatsächlich entspannt. Mit dieser kurzen Erholung ging es dann zurück in die Redaktion nach Flöha, um den Kolleginnen schnell noch einen schönen Feierabend zu wünschen.
Aber schon auf der Heimfahrt war der Stress wieder da – ich war noch verabredet und die Zeit hing mir im Nacken. Entspannung passé. Aber schön war es bei den Alpakas allemal.
Der Besuch bei den Alpakas ist Teil der Outdoor-Serie der Mittelsachsen-Redaktionen, die am 3. August startet und sowohl im Print als auch als Multimediareportage hier zu lesen ist.
„Ach der kann toll reden“, schwärmt eine ältere Dame, noch bevor Christian Lindner seine einstündige Rede auf dem Zwickauer Kornmarkt begonnen hat. Der FDP-Chef ist gekommen, um seinen sächsischen Parteikollegen Schützenhilfe zu leisten im schwierigen Wahlkampf im Freistaat. Wie wirkt er auf die Zuhörer, mit welcher Nachricht gehe ich in die Redaktion zurück?
Text: Benjamin Schmidt, Foto: Sebastian Gollnow/dpa
Im Jahr 2014 flogen die Liberalen aus dem Landtag in Dresden, jetzt stehen sie knapp bei fünf Prozent. Da kann das rhetorische Schwergewicht aus Berlin nicht schaden. Die „Freie Presse“ ist natürlich vor Ort. Für einen Volontär ist der Termin durchaus interessant, immerhin darf ich über einen bundesweit prominenten Politiker schreiben.
Reden kann der Mann. Er startet mit einem allgemeinen Bekenntnis zur Demokratie, „zu wählen ist eine moralische Verpflichtung“, sagt er und räumt damit den größten Allgemeinplatz ab, den man in einer Wahlrede bringen kann. Die Zustimmung des Publikums hat er allerdings damit. Dann noch schnell die Spitzenkandidaten des Wahlkreises gelobt, die sich ohne realistische Chancen im Wahlkampf engagieren, dann geht es in die Vollen.
Wenig überraschend, aber dennoch irgendwie schade: Der Lindner vor Ort erzählt gekonnt genau das Selbe wie der Lindner bei Sandra Maischberger, Anne Will oder in der Tagesschau. Er wünscht sich einen schlanken Staat, einen liberalen Markt und der Klimawandel soll bitte mit Spitzentechnologie bekämpft werden anstatt mit spaßfreier Askese.
„Ach der kann toll reden“ sagen noch so einige der Besucher, die ich nach dem Vortrag zu ihrer Meinung befrage. Nur wählen will die FDP dennoch fast niemand. Inhaltlich hat er trotz toller Rhetorik wenige überzeugt, aber vielleicht immerhin die fünf Prozent des Publikums, die seine Partei auch sachsenweit braucht.
Mein Beitrag wird zu einer Einordnung der FDP im Kampf gegen die Fünf-Prozent-Hürde, gegen die Wählerwanderung zu Grünen und AfD, keine Überraschungen für mich oder die Leser. Ich sehe dem nächsten Termin bei einem Spitzenpolitiker auf jeden Fall gelassen entgegen. Viel Neues ist nicht zu Erwarten.
In genau einer Woche geht es für die Sachsen an die Wahlurnen. Ein neuer Landtag wird gewählt und das ist nicht nur aus politischer Sicht spannend. Auch in der Redaktion ist jede Menge los.
Von Sophie Schober
Zu Beginn die schönen Seiten der doch ganz schön stressigen Arbeit an einem Wahltag: Es gibt Essen. Süßigkeiten, Kuchen, Pizza. Zu diesen Freuden kamen die Redakteurinnen und Redakteure auch zur Europa- und Kommunalwahl im Mai. Was aber fast noch wichtiger als Fett und Zucker ist: Kaffee. Immerhin kann eine Schicht am Wahlabend bis tief in die Nacht gehen.
Am 26. Mai war ich gerade in der Online-Redaktion und sollte ab 16 Uhr die Kollegen unterstützen und alle neuen Informationen und Wahlergebnisse der Kolleginnen und Kollegen aus den Lokalredaktionen in den Liveticker der „Freien Presse“ einbauen. So weit so gut, dachte ich. Immerhin schließen die Wahllokale 18 Uhr, wie lange kann es da schon dauern, bis die Ergebnisse feststehen?
Es dauerte ewig. In Plauen und Zwickau stoppten die Auszählungen, einige kleine Wahllokale mussten erneut auszählen, die bereits veröffentlichten Ergebnisse korrigiert werden. Aber für die Online-Redaktion war das ein Kinderspiel. Immerhin laufen hier die Fäden zusammen. Da ist Schnelligkeit gefragt. Nicht nur wir Redakteurinnen und Redakteure sind gespannt auf den Wahlausgang, unsere Leserschaft ebenso.
Nach unzähligen Tassen Kaffee und einem leichten Zuckerschock wegen all der Schokoriegel, füllte sich auch der Liveticker nach und nach. Die technischen Schwierigkeiten am Abend lasse ich hier aber mal unerwähnt. Gegen Mitternacht fehlten nur noch wenige Wahllokale und deren Ergebnisse. Also: Warten. Das zahlte sich leider nicht aus. Via Twitter gab unter anderem Zwickau bekannt, dass die Auszählung am Morgen fortgesetzt werden sollte. Das hieß für uns, der Feierabend rückt näher. Gegen 2 Uhr verließ ich die Redaktion. Die Zeitung war bereits im Druck und unser Ticker beendet.
Besonders an so einem Tag ist Teamarbeit gefragt. Jeder muss genau wissen, was seine Aufgabe ist. Wer kümmert sich um welche Seite der Zeitung? Wer bestückt den Liveticker? Wer postet Zwischenstände und Ergebnisse in den sozialen Netzwerken? Welcher Reporter ist wo vor Ort? All das erfordert Planung. Und die ist gerade in vollem Gange. In verschieden Besprechungen wird derzeit die Ausgabe für den 2. September geplant und die Online-Redaktion tippt sich schon mal warm.
Auch die Lokalredakteure sind gefordert. Sie müssen ihre Wahlkreise genau im Blick haben, Stimmen einholen, Auszählungen verfolgen. Für die Kolleginnen und Kollegen vor Ort kommt noch die gedruckte Zeitung hinzu. Auch die muss geschrieben werden. Natürlich wird die Wahl das dominierende Thema, aber es passieren ja auch noch andere Dinge die spannend und wichtig sind.
Für mich als Volontärin war der Dienst zur Europa- und Kommunalwahl wahnsinnig spannend und lehrreich. Zur Landtagswahl wird das genau so werden, immerhin könnte sich die politische Landschaft in Sachsen stark verändern. Auf den Dienst freue ich mich jetzt schon!
True Crime erlebt aktuell einen Hype: Magazine widmen sich den spektakulärsten Kriminalfällen, Podcasts zu diesen Themen klettern die Spotify-Charts hoch. Klar, dass da auch die Volos der „Freien Presse“ mitmachen.
Von Sophie Schober
In Chemnitz ereigneten sich in den vergangenen 100 Jahren ziemlich schaurige Geschichten. Aus verzweifelter Liebe vergiftete eine junge Frau ihren Verlobten. Ein Unbekannter ermordete eine junge Frau, zerteilte sie und verteilte die Leichenstücke an verschiedenen Orten der Stadt. Ein anderer Mann tötet seine eigene Schwester und will sie anschließend essen.
Ziemlich verstörend, aber unfassbar spannend. Das dachte auch unser Redakteur Jens Eumann, der die spektakulärsten Kriminalfälle aus Chemnitz in einem Buch zusammenfasste. Das nahmen wir zum Anlass, die Geschichten neu aufzulegen: Mit interaktiver Karte, Text und Podcasts. Wir sind ja so dermaßen am Zahn der Zeit!
Am Ende steht der Text. Den, und nur den, bekommen unsere Leser zu sehen. Die Arbeit dahinter, das was wir bei der Recherche erleben, das steht nicht in der Zeitung. Ein Glück, dass es unseren Voloblog gibt!
Von Lukas Fischer
Die Geschichten hinter den Geschichten sind manchmal spannender, als die Geschichten selbst. Ist doch klar, oder? Nein? Was ich meine ist, dass die Recherche eines Textes für uns Volontäre manchmal spannender ist, als der Text selbst. Wir werden von Pfeilen beschossen während wir durch den Wald kriechen, wir lüften (vielleicht) alte Stasigeheimnisse und manchmal steht hinter einem tollen Text auch gar keine Arbeit. Wenn Ihr mehr erfahren wollt, dann klickt auf das Bild da unten. Aber Achtung – es wird interaktiv!
Ein Klick auf das Bild und schon seit Ihr auf der Karte!
Es ist ein ganz besonderes Jubiläum, das derzeit gefeiert wird. Vor 30 Jahren gingen die Menschen in der DDR auf die Straße, um ihre Freiheit einzufordern. Am 9. November 1989 war es dann soweit: Die Mauer, die die beiden deutschen Staaten trennte, fiel. Zu diesem Anlass haben wir Volos uns mit diesem Thema auseinandergesetzt und ein Special erarbeitet.
Ein Zeitstrahl
Zunächst erst einmal ein Blick zurück. 30 Jahre sind eine lange Zeit, da kann man das ein oder andere Detail schon einmal vergessen. Um die Wissenslücken wieder aufzufüllen, haben wir einen Zeitstrahl erstellt, der die wichtigsten Ereignisse rund um die Wende zusammenfasst. Dafür einfach auf das Bild drücken!
Eine Karte
So schön die Bilder der Wende bis heute auch sein mögen – dieses Ereignis hatte auch seine Schattenseiten. Gerade wirtschaftlich hat sich danach im Osten viel verändert. Die einst staatlich betriebenen Unternehmen wurden über die Treuhand privatisiert. Zahlreiche Firmen haben das nicht überlebt. Und doch gibt es einige Ost-Marken, die auch heute noch beliebt und bekannt sind. Welche das sind, das hat Sophie aufgearbeitet in dieser Übersicht hier.
Vier Meinungen
Von den Firmen zu den Menschen. Auch für diese hat sich viel getan. Immer wieder sind deshalb Zeitzeugen auch in der „Freien Presse“ zu hören. Und das völlig zu Recht, waren sie es doch, die diese friedliche Revolution ermöglicht haben. Doch auch die jüngeren Generationen verbinden viel mit der Wende – so geht es uns Volontären auch. Deshalb haben wir unsere Gedanken dazu aufgeschrieben.
Andreas war während des Mauerfalls gerade sechs Jahre alt. Er lebte damals in Ost-Berlin – ganz nah dran an den historischen Ereignissen. Wie er diese erlebte und wieso er damals neidisch auf seinen Freund schaute, schreibt er in seinem Text.
Benjamin hat die Wende selbst erlebt – als dreijähriges Kind im Westen. Wie er diesen historischen Moment damals verstanden hat und was sich aus seiner Sicht bis heute getan hat, erklärt er in seiner Betrachtung.
Sophie wurde nach der Wende in Sachsen geboren. Studiert hat sie aber in Bamberg. Auf ihren Fahrten zwischen Heimat und Wahlheimat ist sie immer wieder an der ehemaligen Grenze vorbeigekommen. Wieso die Wiedervereinigung dennoch auch eine Aufgabe für die junge Generation ist, hat sie hier aufgeschrieben.
Lukas hat, genau wie Sophie, die Wende nicht erlebt. Dafür ist er zu jung – ein Einheitskind eben. Aber so wirklich war diese Einheit in seiner Kindheit noch nicht angekommen. Wieso ein Westdeutscher in seiner Klasse keine Chance hatte und was sich ändern sollte, erklärt er in seiner Betrachtung.
Die DDR gibt es nicht mehr. Mit dem Untergang des sozialistischen Staates verschwand auch so manche Begrifflichkeit aus unserem Wortschatz. Aber nicht jede ostdeutsche Wortschöpfung ist mit der Wende verloren gegangen. Wir Volontäre haben einige dieser Begriffe in ein kleines Quiz gepackt.
Über vier Jahrzehnte hinweg war Deutschland geteilt. Obwohl in den beiden Hälften des Landes die gleiche Sprache gesprochen wurde, gab es doch einige Unterschiede. Die zwei grundverschiedenen Gesellschaftsordnungen haben eben auch im Sprachgebrauch ihre Spuren hinterlassen. Gerade in der DDR gab es viele Wörter, mit denen der Rest Deutschlands bis heute wenig anfangen kann. Wer sein Wissen rund um die Ostbegriffe auf die Probe stellen möchte, kann das in unserem Quiz tun. Zu erreichen ist dieses über den formschönen Button da unten.
Der Zahn der Zeit – wir sind immer ganz nah dran. Neuerdings sollen die Leute ja total auf Jahresrückblicke abfahren, haben wir uns sagen lassen. Deshalb sind wir Volontäre in uns gegangen und haben tief in unseren Erinnerungen an das zurückliegende Jahr gekramt. Herausgekommen sind Highlights, die uns 2019 in unserer Freizeit unterhalten haben – Filme, Serien, Musik und sogar ein richtiges Buch! Ach ja: Hier und da lauern auch ein paar Spoiler. Geniest die Texte also bitte mit Vorsicht!
Lukas‘ Highlights
Bester Film: Joker Nicht als Drama, sondern als Komödie beschreibt Joker sein Leben. Seine Origin-Story ist aber mit Sicherheit keine Komödie. In einer Stadt, in der es keine Empathie zu geben scheint, hat der spätere Erzfeind von Batman keine Chance mit seiner Krankheit. Ständig muss er lachen, vor allem dann, wenn es gerade gar nicht passt. Auf der verzweifelten Suche nach Akzeptanz und Bestätigung findet er diese in roher Gewalt, in Anarchie. Die wundervollen Bilder von Regisseur Todd Phillips, die starke und düstere Geschichte sowie das eindrucksvolle Schauspiel von Joaquin Phoenix machen Joker zu meinem Film des Jahres.
Bestes Album: Kiox (Kummer) Der Typ aus Chemnitz findet den Typen aus Chemnitz, der Musik über Chemnitz macht, geil. Überrascht jetzt nicht sonderlich, ist aber halt nun einmal so. Rap ist eigentlich nicht so meine Welt – zu aufgepumpt, zu selbstverliebt. Kummer ist da angenehm anders, er macht Rap wieder traurig, wie er ja selbst sagt. Nebenbei trifft er mit seinen Texten voll meinen Nerv, ob er in „Schiff“ über sein trauriges Leben in Chemnitz rappt oder in „Der Rest meines Lebens“ über seine (mit 30 Jahren rein rechnerisch arg späte) Quarter-Life-Crisis. Carsten Chemnitz hat es eben einfach drauf.
Beste Serie: Game of Thrones Das geht ja mal gar nicht! Game of Thrones als Serie des Jahres? Wie kann er nur?! Ja, die letzte Staffel hat die über viele Jahre mühsam aufgebaute Dramaturgie mit Füßen getreten, Charaktere zerstört und ein so dummes Ende, dass fast schon Erinnerungen an das Finale der Serie Lost hochkommen. Trotzdem hat es diese Staffel geschafft, dabei immer verdammt gut auszusehen. Auch wenn es unfassbar dämlich war – der Showdown mit dem Night King war so gut inszeniert, dass ich auch jetzt noch Gänsehaut bekomme, wenn ich nur daran denke. Und dieser Soundtrack! Auch wenn also völlig zu Recht von Fans gehasst – allein für die Inszenierung trotzdem meine Serie des Jahres! Knapp dahinter folgte übrigens die großartige zweite Staffel von Dark, die ich hier nicht unerwähnt lassen will.
Sophies Highlights
Bestes Buch: Scharnow (Bela B) Scharnow, die fiktive Stadt von der Bela B im gleichnamigen Roman erzählt, hat nicht viel zu bieten. Und dort gibt es schon gar nichts zu erleben. Bis jetzt, denn nun ereignen sich sehr merkwürdige Dinge in der kleinen Stadt. Agenten wollen eine Revolution starten, Betrunkene überfallen nackt den Supermarkt und die Polizei macht ihre Arbeit nur gelangweilt und widerwillig. Mit skurrilen und witzigen Figuren schafft es Bela B wunderbar, die scheinbare Tristesse einer Kleinstadt zu erzählen, in der Menschen aus Langeweile auf sehr komische Ideen kommen – lesenswert!
Bestes Album: Trettmann (Trettmann) Auch das zweite Album von Trettmann mausert sich zu einem absolutem Brett und zu einer der wichtigsten Veröffentlichungen des Jahres. Neben gewohnt tanzbaren Dancehall-Tracks schafft er es auf “Trettmann” nun auch gesellschaftskritische Töne anzustimmen und seine Sicht auf die derzeitige politische Situation zu schildern (höre: Stolpersteine). Daneben finden sich wunderbare Gäste: Alli Neumann oder KeKe, die eine perfekte Ergänzung zum Musiker sind. Wie sagte es Jan Böhmermann in seinem Podcast so treffend: “Die interessanteste Musik kommt derzeit aus Sachsen.” – Anhören!
Beste Serie: Tote Mädchen lügen nicht In der dritten Staffel von Tote Mädchen lügen nicht dreht sich die Geschichte um Bryce Walker, der Hannah Baker und andere Mädchen in den vorigen Staffeln vergewaltigt hat. Er wird ermordet – im Verdacht steht jede Folge ein anderer aus dem Freundeskreis rund um Clay Jensen. Neben den Motiven, die jeder der Protagonisten besitzt, bohrt die Geschichte noch mehr in das Innerste der Jugendlichen. Und es tun sich noch mehr Abgründe auf, als der Zuschauer schon erfahren hat. Soviel sei gesagt: Als Zuschauer weiß man bis zur endgültigen Auflösung ganz am Ende der letzten Folge selbst nicht mehr, wen man am verdächtigsten halten soll. Und auch das Ende, an dem nicht der oder die tatsächliche Mörderin öffentlich wird, lässt das Publikum leicht verwirrt, aber immer noch mit Spannung und der Hoffnung auf eine weitere Staffel zurück.
Benjamins Highlights
Bester Film: Banff Mountain Film Festival Tour Kino. Man fläzt im Sessel, schaufelt sich Popcorn rein und spült es mit Bier runter. Und es ist warm. Anders beim Chemnitzer Freilichtkino im Juli. Es war kalt, die Bank hart. Gut, Bier gab es auch. Auf der Leinwand war die Banff Mountain Film Festival Tour zu sehen. Der perfekte Doku-Streifen gegen Selbstmitleid und Lethargie. Mehrere Kurzfilme zeigen Menschen, die raus sind aus der Komfortzone. Rajesh Magar hat sich in Kathmandu ein Mountainbike gebaut nun eine Sportkarriere vor sich. Philipp Becker und Johannes Müller sind 1.800 Kilometer von Süddeutschland nach Nizza geradelt, 35.000 Höhenmeter inklusive. Und die übergewichtige Mirna Valerio rennt in den USA Strecken weit über Marathon-Länge. Resümee: Gut gefilmte Motivation über die Schönheit des Lebens.
Bestes Album: Sampa the Great – The Return Sampa Tembo alias Sampa the Great ist pure Power. Feministisch, smart und groovy. Die australische Rapperin mit Wurzeln in Sambia und Botswana zeigt mit ihrem Stil, dass sie an vielen Orten der Welt zuhause ist. Melbourne, San Francisco, Gaborone. Das Ergebnis sind flowige Beats, brillante Lyrics und eine Attitüde zur Gleichberechtigung. Die Single „Energy“ aus dem Jahr 2018 hat es leider nicht auf die Platte geschafft. Doch zeigt sie mit Tracks wie „Final Form“ und „The Return“, was sie drauf hat. Gesang, Rap, alles mit einer leicht quäkigen Stimme, wie ein souliger Jan Delay mit mehr Moll im Ton. Aber dem würde der Ruf nach „Black Power“ kaum so wunderbar stehen wie Sampa the Great.
Beste Serie: The Boys Superhelden sind toll. Sie kämpfen sie gegen das Böse in der Welt, sind Vorbild und moralische Instanz. Doch was, wenn es sie wirklich gäbe? Die Serie The Boys sagt: Sie wären moralisch degenerierte Superstars, von Bossen gesteuert. Es geht um Macht, Geld und das saubere Image. Rennt dann der dopingsüchtige Flash alias A-Train aus Versehen durch eine Frau – und bringt sie großartig inszeniert wie einen Blutbeutel zum Platzen – ruft das Gegenreaktionen hervor. Eine humorig-gewaltverherrlichende Jagd auf die längst gefallenen Helden beginnt. Erschienen auf Amazon Prime.
Andreas‘ Highlights
Lieblingsband: Caspian Sea Monster Bei der Chemnitzer Musikmeile 2019 trotzten sie Regen und Wind. Wie passend für eine Band, die ihren Namen einem russischen Bodeneffektfahrzeug verdankt, das bevorzugt in geringster Höhe über der Wasseroberfläche operierte. Obwohl Caspian Sea Monster eine gefühlte Ewigkeit gebraucht hatten, um ihr Equipment an den richtigen Stellen der doch recht engen Bühne zu platzieren, war spätestens nach dem ersten Track klar: Der Aufwand, das lange Warten – Alles hat sich gelohnt. Der Sound kristallklar und bombastisch, die Songs sphärisch, opulent, manchmal nachdenklich, ohne dabei jedoch zu sehr in Depri-Stimmung abzudriften, wie es manche Progrock-Kollegen zu tun pflegen. Wolfsheim meets early Pink Floyd. Das Chemnitzer Bandprojekt sollten dem selbstbetitelten Debüt von 2017 noch viele weitere Werke folgen lassen. Auf die große Bühne gehört Caspian Sea Monster sowieso. In diesem Sinne – Shine On!
Lieblingsserie: Stranger Things Im Bett gemütlich gemacht, den Laptop rausgeholt, nun stellt sich die Frage – welche Serie darf es zum Einschlafen sein? Zumindest in diesem Sinne hat Stranger Things sich als schlechte Wahl erwiesen. Angefixt durch den (nicht mehr verfügbaren) Netflix Trailer und dessen grandiosen Soundtrack ging die Reise zurück in die 80er Jahre. Die von einer hysterisch aufbrausenden Winona Ryder gespielte Mutter Joyce vermisst ihren Sohn Will. Der ist irgendwo gefangen zwischen den Welten, gejagt von einem Monster, dem Demagorgon. Stranger Things spielt bewusst mit 80er-Jahre-Klischees. Eine kleine Stadt irgendwo in den Staaten und eine verschworene Gruppe junger Außenseiter, die nach und nach hinter die geheimnisvollen Machenschaften einer obskuren Regierungsorganisation blickt. Stranger Things nimmt sich dabei selber nicht immer allzu erst. Das hebt die Serie wohltuend von 80er Neuinterpretationen wie den jüngsten ES-Verfilmungen ab.
Lieblingsfilm: Green Book Viggo Mortensen, ehemals als Aragorn in Herr der Ringe zu sehen, geht klasse auf im durchaus als Buddy-Komödie zu bezeichnenden Regiewerk von Peter Farrelly. Und das gleich im doppelten Sinne. So hat der ehemals ranke und schlanke König von Gondor nicht nur ordentlich an Hüftgold zugelegt- kein Wunder, der zweifache Vater verdrückt im Film gerne mal 30 Burger um die nächste Miete zahlen zu können. Doch nicht nur Esswettbewerbe kann er. Auch die Rolle des proletenhaften Tony Vallelonga, der sein Geld als Rausschmeißer und „Problemlöser“ verdient, ist Mortensen auf den Leib geschrieben. Doch die wahre Herausforderung heißt Dr. Don Shirley. Er ist Pianist, kultiviert, eloquent – und schwarz. Keine gute Voraussetzung für eine Tour durch die amerikanischen Südstaaten der frühen 60er Jahre. Eben auf die soll „Problemlöser“ Vallelonga den Tastenvirtuosen begleiten. Das ist nicht nur Abenteuer, sondern auch Lerntrip. Ein dreifacher Doktor und musikalisches Genie wird erkennen, dass Leben auch Spaß machen kann. Der scheinbar einfach gestrickte Schläger lernt die Macht des geschriebenen Wortes kennen. Als die beiden gerade noch pünktlich zu Heiligabend zurückkommen, haben sie sich verändert und sind dabei ihrem wahren Selbst doch irgendwie näher gekommen.
Mein Weg zur Freien Presse führt mich von Trünzig (nie gehört?- auch egal) nach Zwickau. 35 Minuten Autofahrt plus acht Minuten vom Parkplatz zur Redaktion. Historisch gesehen war das Abi im Juli 2019 fertig, mein Praktikum im September und der Start als Volo im Januar 2020.
Wenn ich nicht bei der Freien Presse gelandet wäre, würde ich zwischen einigen Praktika rummäandern. Wahrscheinlich im Bereich Social Mediabei einer großen Tageszeitung.
Mein erster veröffentlichter Artikel war ein Interview mit zwei Mitgliedern von „Fridays for Future Zwickau“. Da ging es um Klimaziele und anstehende Demos. Ich hatte ungefähr 20 Fragen und wir saßen bei 25 Grad Celsius im September über eine Stunde im Schwanenteichpark.
Wenn ich Chefredakteur wäre, würden ganz große Überschriften mit ganz großen Buchstaben auf der ersten Seite stehen. Ausrufezeichen kommen da auch immer gut an beim Leser an. Außerdem wären meine Anzüge teurer und die Uhr dicker.
Wen ich am liebsten mal interviewen möchte: Den Autor Benjamin von Stuckrad-Barre, weil er extrem messerscharf schreiben kann. Der beste Ort dafür wäre ein Café, in das B-Promis hineinspazieren und er zu jedem eine Anekdote aus dem Ärmel zieht. Christian Kracht ist sicher auch ein interessanter Gesprächspartner, wenn er erzählt, wie furchtbar Berlin doch ist und welche die besten Schuhe der Welt sind.
Nach Licht kommt Schatten.Nicht nur titelbezogen wird aus „Hell“ (2020 erschienen) nun „Dunkel“. 19 Titel und über eine Stunde Laufzeit sind erstmal eine Ansage, aber die Ärzte können doch, gerade nach dem tollen letzten Album, nicht viel falsch machen – oder etwa doch? Volontär Tristan Herold auf Odyssee durch das vierzehnte Studioalbum der Band.
Nach kurzem, nicht weiter erwähnenswerten Quatsch-Intro (immerhin hat man den Begriff „Karnickelfickmusik“ untergebracht) geht es mit „Wissen“ los. Simpler Herzschmerztext, sauber von Farin Urlaub vorgetragen. Hört man sich zweimal an, aber kein drittes Mal.
Es folgt mit „Dunkel“ der Titel-Track. Peinliche Reime, ein Text wie von einem Teenie mit Zirkel auf den Spanholz-Tisch im Matheunterricht geritzt. Hier möchte man schon skippen, aber der Autor soll das Album ja rezensieren. „Mein Humor ist schwarz, schwarz wie Kaffee“ heißt es darin- während des Songs kann man sich definitiv einen Kaffee aus der Kantine holen, verpassen tut man nix.
Dann kommt auch schon der schlimmste und blödeste Song, der obendrein mal so gar nicht zu den Ärzten passen will. Farin Urlaub schreit in bester „Deine Schuld“-Manier „Kommunismus oder Religion?“ und „Sarkasmus oder Aggression?“. Man möchte meinen, jetzt kommen klare Bekenntnisse oder zumindest ein okayer Gag. Stattdessen ist der Sänger gegen alles, immer Anti, singt „Wenn das meine Wahl ist – Bin ich gegen alles“. OK Farin, dann bist du eben gegen Faschismus, Kommunismus und Sarkasmus- ist das alles gleich blöd?
Ähnlich „Doof“ geht es auch weiter. Passend, dass der Song sogar so heißt. Bela B singt über dumme Nazis und dass man mit denen am besten gar nicht reden soll. Neonazis also LINKS liegen lassen, zwinker zwonker. Hochnotpeinlich wird es dann bei „Könn’n wir mal alle chill’n? Wir lassen die im Still’n sein, wer sie sind“. Auweia. Blöd nur, lieber Bela, dass Nazis gar nicht so still sind und nicht selten gewaltbereit und ziemlich laut auftreten. Weglächeln kann man die nun wirklich nicht mehr.
„Schrei“ ist sowas wie der Ärzte-Song „Quark“, nur stumpfer. That´s it.
Toxische Männlichkeit wird in „Kraft“ beschrieben genauso wie die Kraft der Worte, mächtiger als das Schwert und so. Alles schon viel besser gelesen und gehört, Langeweile macht sich beim Autor breit. Er will das eigentlich gar nicht weiterhören.
Der beste Song beim letzten Album hieß „Ich am Strand“- eine Lebensgeschichte mit einigen Hochs und Tiefs und -Achtung- echten Gefühlen. In diese Kerbe möchte auch „Tristesse“ schlagen. Farin Urlaub, beziehungsweise das lyrische Ich, plagt die Schwermut, er suhlt sich in der Einsamkeit und wird dabei vom Frauenchor im Refrain begleitet. Okayer Song, aber immer noch zu wenig.
In „Kerngeschäft“ trifft Bela B eigentlich ganz gut den Ton von diesem Album. „Alles wiederholt sich, keiner hat mehr ’ne Idee“- ist das schon knallharte Selbstironie oder geht’s hier nur um die Anderen? Weil Selbstironie nämlich nicht soooo gut funktioniert, wenn das Produkt schlecht ist. Ein Autor kann immerhin auch kein schwaches Buch schreiben und dann aufs Cover den Titel „Bücher sind schlecht“ packen.
Highlight Song Nummer 11! Der Autor freut sich und vergisst beinahe den Ärger der vorangegangenen Songs. Top Party und Konzert-tauglicher Sound bei „Noise“ (sprich: Neues- hihihi). Der Text ist recht simpel, aber nicht ganz so blöd wie andere Titel auf dem Album. Man möchte meinen, dass „Noise“ vom vergangenen Album übriggeblieben ist. Yeah! Aber: Es kommen noch acht Songs.
Der Song „Noise“ erschien auch als Single-Auskopplung; sogar auf Vinyl. (Foto: Die Aerzte/dpa)
Wieder Toxische Männlichkeit bei „Einschlag“. Es geht um häusliche Gewalt. Der Song ist düster gehalten, kommt beinahe ohne Ironie aus. Aber eben auch ohne Geist wie der im Entferntesten verwandte „Manchmal haben Frauen“. Was auch hier wieder unangenehm auffällt: Die ideenlose Einfältigkeit der Texte, kein doppelter Boden, man findet nix zwischen den Zeilen. Next One.
Endlich! Es geht um Männer. Es geht um Dating. Ein Abend wird beschrieben, wie ihn fast jeder schon einmal erlebt hat. Kennengerlernt via App, nun das erste Treffen. Beachtenswert ist, dass hier sämtliche kreative Möglichkeiten liegengelassen werden, dem Autor wird wieder langweilig, dem Leser dieser Rezension vielleicht allmählich auch.
Titel Nummer 14 heißt „Besser“ und ist trotzdem nicht besser als seine Vorgänger.
Nicht noch ein Liebessong denkt man sich bei „Nachmittag“. Das lyrische Ich kommt zum hochphilosophischen Schluss „Liebe ist……Kompliziert“. Wandtattoo-Vibes incoming. Könnte charmant sein, wenn ein verliebter 14-Jähriger das für seinen Crush komponiert, textlich kommt hier mal wieder zu wenig rüber. Aber vielleicht ist Liebe ja wirklich so kompliziert, dass nicht einmal die Ärzte im Jahr 2021 da einen anständigen Song darüberschreiben können.
In Song 16 und Song 17 passiert dann so gut wie gar nix, im Gegensatz zu dem passablen „Noise“ stellt sich hier wirklich kurz vorm Ende der absolute Nullpunkt ein. Den Ärzten fällt nix mehr ein, sie sind mit ihrem Latein am Ende. „Die Menschheit ist ein Arschloch, Baby Ist sie immer schon gewesen“ heißt es in „Menschen“. Quasi die Gegenthese zu Grönemeyers „Mensch“. Nette Idee, meterweit über das Tor hinaus geschossen und irgendwo im hohen Gras gelandet. Und die Sinnsuche in „Erhaben“ führt den Hörer auch nicht voran. Der Patient ist tot.
„Danach“ borgt sich die Melodie von „Einmal ein Bier“ aus dem Vorgängeralbum, wird gemischt mit ein paar Orgelklängen und ist allgemein düsterer. Ach ja, das Album heißt ja „Dunkel“- pfiffig!
Endspurt auf dem nicht enden wollenden Pfad der Ärzte. Da packt die Band nochmal die ganz großen Themen an. Es geht um die Demokratie in „Our Bass Player Hates This Song“. Hier und da gibt es Verweise auf die alten Songs, die besseren Songs. Aber spätestens (immerhin letzter von 19 Songs) bei „Demokratie ist kein Fußballspiel, Bei dem du nur Zuschauer bist“ fragt sich der Autor, ob das Album in dieser Art und Weise wirklich notwendig gewesen ist. Dazu erinnert das Ding auch an diverse Promis, die kurz vor der Bundestagswahl Pappschilder in die Insta-Kamera halten, auf denen „Geht wählen“ steht. Nur, dass es den Ärzten wohl wirklich ernst ist und der Autor die Intention abnimmt. Hilft leider nicht dabei, die Qualität des Albums auf ein besseres Level zu heben.
Trash-Formaten kann man mittlerweile kaum mehr entkommen. Überall wimmelt es von dramatischen Wutausbrüchen, herzerwärmenden Paarungszeremonien und gestählten Kandidat:innenkörpern. Fluch oder Segen? Volontärin Eva-Maria Gey vertritt da eine klare Meinung.
„Schalt das weg, wir geben denen keine Einschaltquote“, hat meine Mutter früher immer gesagt, wenn ich bei sogenannten Trash-Formaten hängengeblieben bin. Ich tat wie mir gesagt und akzeptierte, dass diese Formate wohl nicht gut seien. Mittlerweile weiß ich es besser. Zum einen, dass es völlig egal gewesen wäre, ob ich umgeschaltet hätte oder nicht, weil wir sowieso keine Quotenbox zuhause hatten. Viel wichtiger ist aber die Erkenntnis, dass Trash-TV ein wahrer Goldschatz ist.
„Bachelor“ und „Bachelorette“ zogen mich vor einigen Jahren in ihren Bann und ich begann zu verstehen, dass es keine Sünde ist „nur für den Fame“ (sag bloß!) an derartigen Formaten teilzunehmen. Ich hangelte mich über Klassiker wie „Love Island“, „Das Sommerhaus der Stars“, „Kampf der Realitystars“ und viele weitere Formate bis hin zu „Bachelor in Paradise“. Das Prinzip ist simpel, die Kandidat:innen werden in eine Unterkunft gesteckt, zwischendrin werden ab und an Spiele gespielt oder Dates veranstaltet und was dazwischen passiert, ist Menschlichkeit und manchmal auch Unmenschlichkeit in ihrer reinsten Form.
Es gibt immer den Moment, an dem „die Masken fallen“, „es richtig ernst wird“ oder jemand „sein wahres Gesicht zeigt“. Wer einmal in den Sog des Trash-TV geraten ist, wird so schnell nicht wieder herauskommen. Dieser Schauplatz der ganzen Palette menschlicher Charaktere, Abgründe und Verhaltensweisen bietet sowohl Unterhaltung als auch Schlupfloch aus dem Alltag und guten Gesprächsstoff mit ebenso interessierten Freund:innen.
Leute, schaut mehr Trash-TV! (Foto: Eva-Maria Gey)
Völlig zurecht werden viele Formate dafür kritisiert, dass sie mitunter 50er-Jahre-Menschenbilder reproduzieren. Oder dass sie feministische Fortschritte mit Anlauf einreißen. Gelingt es jedoch diese Aspekte für einen kurzen Moment auszuklammern, lohnt es sich umso mehr die Kandidat:innen auf ihren Held:innenreisen oder Abstiegen zu begleiten. Vielleicht ist auch gerade dieser Bruch dieser richtigen und wichtigen Normen das reizvolle an den Formaten. Nicht auf „das wird man ja wohl noch sagen dürfen“-Art, sondern auf charmante, mitunter unwissende Art. So kommt es doch ab und an vor, dass Kandidat:innen sichtbare Lernprozesse durchlaufen und im nächsten Format aus ihren Fehlern lernen.
Eine wahre Bereicherung sind beispielsweise Shows wie „Prince Charming“ und „Princess Charming“, die endlich Repräsentation jenseits der Heteronormativität liefern und deshalb vollkommen zurecht mit dem Grimme-Preis und dem Deutschen Fernsehpreis ausgezeichnet wurden.
Man kann viel lernen im Trash-TV und vor allem für einen kurzen Moment aus der eigenen Filterblase ausbrechen. Mal legen die Kandidat:innen offen, dass es immer schlimmer geht, dass die Fiesheit der Menschen leider manchmal keine Grenzen kennt und dass das Böse mitunter gewinnt. Dann gibt es aber wieder Momente, die Hoffnung geben, dass der Mensch im Grunde doch gar nicht so schlecht sein kann. Daher sehe ich es genau wie Journalistin und Autorin Anja Rützel: Es ist Mist aber ich mag‘s.
Aus einer Diskussion unter Redakteur:innen heraus entstand eine „Freie Presse“-Richtlinie zum Gendern. Sie ist ein Anfang, findet Volontärin Eva-Maria Gey. Das letzte Wort ist hier aber noch nicht gesprochen.
Frauen und Männer werden in der Sprache gleich und auf Augenhöhe behandelt. Dabei soll die Sprache aber verständlich und lesbar sein und nicht im Lesefluss gestört werden. So lautet die Richtlinie der Freien Presse. Hier und da haben Kolleg:innen in Konferenzen angeregt, die Verwendung des generischen Maskulinums zu überdenken, andere positionierten sich klar dagegen. Im September einigte man sich schließlich auf Doppelnennungen, „dort wo es sinnvoll ist“. Bedeutet: Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, Zuhörerinnen und Zuhörer, und so weiter. Ersatzformen wie Teilnehmende statt Teilnehmerinnen und Teilnehmer gehen auch klar. Binnenschreibweisen sind nicht erwünscht.
Chefredakteur Torsten Kleditzsch erinnert sich, dass die Richtlinie spontan aus einer Debatte zur Mittagskonferenz entstand. Zur Erklärung: Mittags treffen sich die Redakteur:innen online, um die Print-Ausgabe und das Online-Game des aktuellen Tages zu besprechen. Standpunkte wurden in der besagten Diskussion ausgetauscht und im Anschluss setzte sich die Chefredaktion mit dem Verlag und der Geschäftsführung zusammen, um die Richtlinien zusammenzufassen. Zuvor gab es dazu keine einheitliche Regelung.
Ich bin vertraut mit der Leser:innenschaft unserer Zeitung und verstehe damit auch, wie diese Richtlinie zustande kommt. Doch das letzte Wort ist hier noch nicht gesprochen. Persönlich bin ich – wie man sieht – klare Verfechterin der Binnenschreibweise. Häufig gerate ich – mit voller Absicht oder aus Versehen – in mitunter hitzige Diskussionen über „diese Gender-Debatte“.
Die Basics
Grundsätzlich ist jeder Text gegendert. Mit Gendern ist jedoch in dieser Diskussion eine Schreibweise abseits des generischen Maskulinums gemeint. Folgende Möglichkeiten gibt es: das generische Maskulinum, Doppelnennungen, neutralisierende Formen oder die im Volksmund als „Gendern“ bekannten Schreib- und Sprechweisen mit Binnen-i, Genderstern, etc.
Verfechter:innen des generischen Maskulinums berufen sich oft auf das Argument, dass alle mitgemeint sind. Die Genderlinguistik zeigt eindeutig: mitgemeint ist nicht mitgedacht. Werden beispielsweise Menschen nach ihren Lieblingssängern gefragt, werden nahezu ausschließlich Sänger, also Männer genannt. Das fällt also schon mal flach. Doppelnennungen bilden zumindest auch Frauen ab, Geschlechter abseits von männlich und weiblich bleiben allerdings auch hier unberücksichtigt. Zudem wird unnötigerweise die Kategorie Geschlecht im Hirn aktiviert.
Neutralisierende Formen wie Teilnehmende oder Studierende bilden einen gemeinsamen Nenner für viele Gender-Gegner:innen und -Befürworter:innen. Hier werden glücklicherweise nicht nur Männer und Frauen berücksichtigt, sondern auch nicht-binäre und andere Geschlechter. Das ist nett und ein sehr guter Anfang. Schade nur, dass sich nicht alle Bezeichnungen neutralisieren lassen. Außerdem kommt es dabei zum sogenannten Male Bias. Das bedeutet, dass neutralisierende Bezeichnungen in Studien zwar sowohl Männer als auch Frauen abrufen, allerdings immer noch mit klarer Überrepräsentation der Männer. Schönen Dank, Patriarchat!
Bleibt noch die „gegenderte“ Form. Wichtiger Vorteil ist auch hier, dass nicht nur das männliche und weibliche Geschlecht abgebildet werden. Studien haben gezeigt, dass Frauen sich öfter für Jobs bewerben, wenn die Stellenanzeigen gegendert sind und diese Jobs dann auch tatsächlich öfter bekommen. Das klingt für mich nach einem nicht-nur-sprachlichen Schritt zum Abbau von Diskriminierung.
Wer Kfz-Zulassungsstelle sagen kann, dessen Zunge bleibt mit Sicherheit auch bei der Binnen-Sprechweise knotenfrei. (Bild: Eva-Maria Gey)
Häufig genanntes Gegenargument ist, wie auch in der Richtlinie der Freien Presse, die beeinträchtigte Lesbarkeit. Gegenderte Texten lassen sich jedoch entgegen vieler Erwartungen kognitiv nicht signifikant schwerer verarbeiten als die im generischen Maskulinum formulierten. Und mal ehrlich: Wer Kfz-Zulassungsstelle sagen kann, dessen Zunge bleibt mit Sicherheit auch bei der Binnen-Sprechweise knotenfrei. Und der Mensch ist ein Gewohnheitstier, also nichts wie los.
Was soll also die ganze Diskussion? Wir gendern, haben uns in spätestens zwei Monaten dran gewöhnt und unsere Sprache bildet plötzlich alle Menschen der Gesellschaft ab. Leider ist das nicht so einfach. Letztendlich ist die Entscheidung für oder gegen die verschiedenen Schreib- und Sprechweisen jedem und jeder selbst überlassen. Niemand wird jemals gezwungen werden diese oder jene Sprech- und Schreibweise zu verwenden.
Wie geht es weiter?
„Ich halte die Richtlinie für passend in unserem Verbreitungsgebiet“, sagt Torsten Kleditzsch im Gespräch mit mir. Es würde so geschrieben wie die meisten Leute in der Region sprechen. Dass sich die Binnenschreibweise durchsetzt, kann sich Torsten Kleditzsch aus jetziger Sicht nicht vorstellen. Er befürchtet, dass sich die Fronten weiter verhärten. Allerdings beobachtet er auch die unterschiedlichen Ansichten der Generationen.
Dass Binnenschreibweisen mehr als zwei Geschlechter abbilden, hält der Chefredakteur für ein Argument für diese Schreibweise. Sie könne einer gesellschaftlichen Gruppe möglicherweise in ihrer Identität und Repräsentation helfen. Allerdings würde sie in der gesellschaftlichen Debatte zur weiteren Polarisierung führen. Die Abbildung von mehr als zwei Geschlechtern kam in der anfangs besagten Absprache von Chefredaktion, Geschäftsführung und Verlag nicht zur Sprache.
Natürlich bezieht sich die Diskussion nicht allein auf Sprache, sondern ist auch eine Identitätsdebatte. Klar ist auch, dass Sprache sich entwickelt. „Medien haben nicht die Aufgabe, Sprache von sich aus zu entwickeln“, sagt der Chefredakteur, „sie spiegeln stattdessen das Leben wider.“ Der sprachlichen Entwicklung wolle die Freie Presse folgen und auch künftig Debatten führen.
Für mich ist es eine leichte Entscheidung: Es tut mir nicht weh, hier und da einen Doppelpunkt zu setzen oder eine Sprechpause zu machen und ist eine sehr einfache Möglichkeit, um möglichst viele Menschen abzubilden. Klar, man könnte es sicherlich auch irgendwie „schöner“ formulieren aber solange keine:r eine bessere Idee hat, heiligt für mich ganz klar der Zweck die Mittel.
Fakt ist, dass es nicht den goldenen Mittelweg gibt, der alle Vorteile vereint. Letztendlich muss die Gesellschaft gemeinsam ausdiskutieren, ob und inwiefern sich Sprache verändert. Und wer weiß, vielleicht schleicht sich ja in den kommenden Jahren das ein oder andere Binnen-i oder ein Genderstern in die Freie Presse.
Volontärin Julia Grunwald hat sich ein ungewöhnliches Hobby zugelegt – Sütterlin schreiben. Was das ist und wie die ersten Versuche liefen, verrät sie uns.
Sütter-was? Ja, auch ich konnte zunächst nichts mit dem Begriff der Sütterlinschrift anfangen. Schade eigentlich, dachte ich mir. Immerhin habe ich Germanistik studiert und könnte doch mal was Neues über das deutsche Schriftsystem lernen. Gedacht, getan. Über das Format „Süttember“ des Vereins für Deutsche Sprache bestellte ich mir ein Schreibheft, mit dem ich die altdeutsche Handschrift selbstständig erlernen konnte. Was mich so richtig erwartete, wusste ich zwar nicht. Aber ein bisschen Neugier schadet ja nie.
Pünktlich zum Herbstbeginn kam das Heft bei mir an. Zunächst mit einer großen Ernüchterung. Das, was in dem Heft stand, war Deutsch und ich konnte es nicht lesen, nicht einmal ein kleines bisschen. Sieben Jahre Russischunterricht haben dafür gesorgt, dass mir selbst das kyrillische Alphabet vertrauter war als die altdeutsche Schreibschrift.
Doch die Enttäuschung verwandelte sich bei mir sehr schnell in Motivation. Wenn ich Sütterlin schreiben und lesen könnte, hätte ich immerhin eine richtiges Alleinstellungsmerkmal und könnte andere damit beeindrucken. (Spoiler: Meine Freunde finden meine mittlerweile vorhandenen Sütterlinskills nur halb so beeindruckend wie ich. Aber egal, zurück zum Thema.)
Bevor es also mit den Schreibübungen, die mich an meine Grundschulzeit erinnerten, losging, befasste ich mich erst einmal damit, was ich da überhaupt lernen wollte. Hier eine Zusammenfassung der wichtigsten Fakten: Stahlfedern und ein stark künstlerisch angehauchtes Schreibbild im 19. Jahrhundert erschwerten den Schülerinnen und Schülern das Erlernen der Schrift. Die Stahlfedern waren zu hart, die ausgeprägten Ober- und Unterlängen der Buchstaben sahen schön aus, waren aber nicht leicht zu erlernen. Pädagogen und Schriftkünstler begannen, nach Lösungen für dieses Problem zu suchen. Einer davon war Ludwig Sütterlin, der Begründer der Sütterlinschrift. Er entwickelte 1911 eine Ausgangsschrift, die das Erlernen der Schreibschrift in der Schule erleichtern sollte. Sütterlin wurde nicht nur mit einer leichter zu bedienenden Feder geschrieben. Auch die Formen der Buchstaben waren von Herrn Sütterlin vereinfacht und verbreitert worden. Ober- und Unterlängen, wie zum Beispiel beim G, reduzierte er. Mit Erfolg: Seine Schrift setzte sich durch und wurde zwischen 1914 und 1941 von Millionen Schülern gelernt. Bis ein NS-Erlass die Verwendung der Schrift untersagte.
Und nun saß ich im Jahr 2021 in meiner Wohnung und widmete mich mit einem skeptischen Interesse der alten und vergessenen Sütterlinschrift. Skeptisch deswegen, weil ich mir zunächst nicht sicher war, ob ich die Buchstaben jemals schreiben und lesen könnte. Begonnen habe ich mit den Buchstaben „n“, „i“ und „m“. Überraschenderweise gelangen mir die ersten Schreibversuche ganz gut. Schnell schrieb ich ganze Wörter. Es folgten vollständige Sätze. Und mit jeder Zeile, die ich schrieb, machte mir das Sütterlin mehr Spaß. Ich war richtig angefixt. Konnte den Stift kaum noch aus der Hand legen und verbrachte meine Freizeit zu einem großen Teil vor dem Schreibheft.
Gut, ich muss zugeben: Angeben kann ich mit meinen neuen Schreibfähigkeiten kaum und auch im Alltag wird mir Sütterlin wohl eher nicht helfen. Dennoch ist es ein schönes Gefühl, sich mal wieder mit etwas Neuem und Unbekanntem beschäftigt zu haben. Ein Blick über den Tellerrand hinaus muss also nicht immer zweckmäßig und sinnvoll sein. Es reicht auch, wenn er Spaß macht.
Als „Heimwerkerking“ startete Fynn Kliemann 2009 einen eigenen Youtube-Kanal. Seitdem hat er den Bauernhof „Kliemannsland“ gegründet, zwei Alben herausgebracht und verkauft faire Mode in seinem Onlineshop. Am 17. Dezember erscheint sein drittes Album „Nur“ – ausschließlich digital und als limitierte EP.Volontärin Eva-Maria Gey hat mit Fynn Kliemann gesprochen.
Eva: Nächste Woche erscheint dein neues Album „Nur“. Wie fühlt sich das für dich an?
Fynn Kliemann: Generell habe ich davor immer tierisch Schiss und hasse dieses Release-Gefühl, dass die ganze Welt plötzlich hören kann, was ich mir da ausgedacht hab. Das ist als wenn auf einmal dein Tagebuch geleakt wird und du das auch noch selbst im Bus liegengelassen hast – selber Schuld. Jede Geschichte auf jedem einzelnen Song hab ich in irgendeiner Form erlebt. Aber in diesem Fall geht’s, weil es Remixe sind. Ich hab die Songs ja schon mal rausgebracht, es wurde alles schon gesagt. Das nimmt ganz viel Druck raus.
Eva: Wie lange hast du an der Platte gearbeitet?
Fynn Kliemann: In diesem Fall war ich eher Dirigent. Ich hab mit zwei Pianisten und meinem Produzenten die Piano-Seite gemacht und dabei nur gesagt, hier muss der Part anders, das muss so – dirigiert eben. Für die Remix-Seite habe ich nur die richtigen Leute gefragt, ob sie Lust haben das zu produzieren. Insgesamt hat es etwa ein Jahr gedauert: ein halbes Jahr die Musik und das andere halbe Jahr alles drumherum – die Vinyl bearbeitet, Texte gesetzt, das Lager vorbereiten und so weiter.
Eva: Der Entstehungsprozess war also dieses Mal komplett anders?
Fynn Kliemann: Auf jeden Fall, das hatte nichts mit einer normalen Albumproduktion zu tun. Die anspruchsvollste Aufgabe bei der Produktion ist für mich das Schreiben. Da bin ich ein Jahr allein in meinem kleinen Studio und schreibe jeden Text und singe alles ein. Gerade der Text ist anspruchsvoll, da muss man in einen bestimmten Modus kommen. Dieser krasse Prozess ist diesmal weggefallen. Es gibt zwei Aufgaben bei der Produktion: Beat und Text. Text ist wie eine nicht enden wollende Therapiesitzung mit dir selbst. Das macht mir gar keinen Spaß und ich bin währenddessen schlecht drauf. Aber ich habe das Gefühl es muss dann raus. Der andere Part mit dem Musik produzieren macht mir mega Bock. Es besteht also aus dem Coolsten und dem Schlimmsten. Dieses Mal hatte ich nur das Coole.
Eva: Wonach hast du entschieden, welche Songs du aufgreifst?
Fynn Kliemann: Bei der Piano-Seite kann man ganz gut sortieren, welche Melodien geeignet sind und welche nicht. Wir haben geschaut, was sind die großen Melodien der letzten Alben. Und bei den Remixen haben das die Leute selbst entschieden, die sie produziert haben.
Eva: Spielt die Reihenfolge der Songs auf dem Album eine Rolle?
Fynn Kliemann: Bei der Pianoseite schon, da sind auch Übergänge. Ähnlich wie bei „Nie“ und „Pop“ wird eine weiterführende Geschichte erzählt. Bei den Remixen weniger, weil es ja ein zusammengeworfenes Konstrukt ist.
„Der Selektionsprozess des Todes“
Eva: Wie hast du entschieden, wer die Songs remixed?
Fynn Kliemann: Ein paar Leute waren auf meiner Wunschliste, die hab ich angefragt. Ein paar andere waren einfach da, die kenne ich und hab vorher schon mal mit ihnen darüber gesprochen. Ich hab ihnen die Tracks gezeigt und gefragt, ob ihnen davon was gefällt und ob sie das machen wollen.
Eva: Gibt’s einen Song, der für dich eine besonders herausragende Rolle spielt?
Fynn Kliemann: Es ist eine blöde Antwort aber alle am Ende des Tages. Die sind da ja nicht ohne Grund drauf. Bei der Auswahl für das Album „Nie“ hatte ich 200 bis 400 Skizzen für Songs. Daraus hab ich zehn ausgewählt – der Selektionsprozess des Todes. Es bleibt nichts mehr übrig von all den Sachen, an denen du ewig gearbeitet hast. Bei „Pop“ genauso, von 100 Songs sind 12 draufgekommen. Die Songs auf „Nur“ sind schon die elementare Basis der letzten Jahre.
Eva: Hast du schon etwas Feierliches für den Release geplant?
Fynn Kliemann: In der Pandemie gibt’s das traurigerweise nicht. Normalerweise kenne ich das anders, für „Nie“ hatten wir eine geile Release-Party in Hamburg. Jetzt ist die Hauptsache, dass sich keiner ansteckt und alle gesund bleiben.
Fynn Kliemann. (Foto: Samuel Mindermann)
Eva: Was steht derzeit abseits der Musik bei dir an?
Fynn Kliemann: Wir machen gerade die „Ldgg“-Geschichte („Lass dir gut gehen“). Dafür haben wir überall in Deutschland angefangen Immobilien zu kaufen und zu vermieten. Dahinter ist ein soziales Experiment. Du kannst sie zu einem Festpreis mieten. Alles, was du on top zahlen möchtest, geht in einen Pott und davon können Leute Urlaub machen, die sich sonst keinen leisten können. Daran habe ich das letzte Jahr sehr viel gearbeitet. Im Kliemannsland ist auch viel passiert, die Faire-Klamotten-Produktion ist gigantisch gewachsen. Es passiert eine ganze Menge.
Eva: Was hast du für 2022 geplant?
Fynn Kliemann: Dieses „Ldgg“-Thema wird richtig groß. Wir sind jeden Tag auf der Suche nach neuen Buden und stellen viel ein. Dann will ich abhauen. Ich möchte für ein paar Monate nach Frankreich ziehen. Ich baller jetzt seit zehn Jahren bis auf den Kurzurlaub dieses Jahr in Frankreich. Die Arbeit macht mir mega Bock aber es ist an der Zeit mal wieder kurz abzuhauen und klarzukommen. Klingt blöd aber wenn ich nichts mache, mache ich am meisten.
Weniger reden, mehr machen
Eva: Wie möchtest du gerne in 20 Jahren sein und wie auf keinen Fall ?
Fynn Kliemann: Auf gar keinen Fall möchte ich werden wie Frank Thelen.
Eva: Das kam schnell.
Fynn Kliemann: Auf keinen Fall will ich so ein komischer Motivationscoach werden. Ganz oft erfordert das, was ich angefangen habe, Unternehmertum. Da schaust du dir jemanden wie Frank Thelen an und denkst dir, so willst du auf keinen Fall werden – jemand, der die ganze Zeit nur labert und die Hosentaschen voller Kohle hat. Ich möchte Dinge tun und nicht immer in dieser Verwaltung sitzen. Ich möchte lieber jemand sein, dessen Ergebnisse zu kennst als jemand, der die ganze Zeit über sich redet.
Eva: Welche Rolle spielen Privilegien in deinem Leben?
Fynn Kliemann: Ich bin weiß und komme aus Deutschland, dadurch habe ich extrem viele Privilegien mit auf den Weg bekommen. Auf der anderen Seite wird schnell gesagt, jemand hätte bestimmt geerbt oder musste sich nie um etwas kümmern. Irgendwas suchst du dir immer als Grund, warum andere Leute ein besseres Leben haben als du. Manchmal ist es aber kein Privileg, sondern einfach erarbeitet.
Eva: Gibt es Privilegien, die du gerne gehabt hättest?
Fynn Kliemann: Nein, ich finde nicht. Mir mangelt es ja wirklich an nichts außer an Kopf-Freizeit sozusagen. Aber das hab ich auch selbst zu verantworten.
Volontärin Eva-Maria Gey im Gespräch mit Youtuber, Musiker und Tausendsassa Fynn Kliemann. (Screenshot: Eva-Maria Gey)
„Ich werde jeden Tag zwei Tage älter“
Eva: Wie reich bist du?
Fynn Kliemann: Ich hab privat überhaupt gar keine Kohle. Es klingt immer blöd aber ich arbeite bei und für verschiedene Unternehmen. Die investieren jedes Jahr 100 Prozent ihres Geldes in die nächste blöde Idee. Ich finde, jeder gute Unternehmer hat gar kein Geld. Weil was macht man denn damit? Geld ist dafür da, um Ideen zu realisieren. Das bedeutet: Wenn ich welches hab, nehme ich es und stecke es sofort wieder in die nächste Sache. Es ist ein immer weiter laufender Faktor.
Eva: Kannst du dir vorstellen deine Musik doch irgendwann mal live zu spielen?
Fynn Kliemann: Es gibt wenige Sachen auf diesem Planeten, bei denen ich ganz genau weiß, dass sie niemals eintreten werden. Und das ist eine davon.
Eva: Woran liegt das?
Fynn Kliemann: Angst, kein Bock, keine Zeit. Aber vor allen Dingen Angst.
Eva: In „Warten“ singst du „Dieser scheiß Workaholic-Kack macht mich noch schneller alt“. Was hält dich jung?
Fynn Kliemann: Tatsächlich hält mich echt nicht so viel jung. Ich werde jeden Tag zwei Tage älter.
Eva: Kannst du wirklich alles?
Fynn Kliemann: Nein, überhaupt nicht (schaut abgelenkt auf den Bildschirm).
Eva: Was kannst du zum Beispiel nicht?
Fynn Kliemann: Mich auf eine Sache konzentrieren (lacht). Also ich kann überhaupt nicht alles, sondern probiere alles. Ich finde auch nicht, dass man alles beherrschen muss, um es zu können. Das ist so ein Riesenproblem unserer Gesellschaft, dass man gleich sagt „ich kann das nicht“. Deswegen macht man nichts und deswegen weiß man nicht, ob man darin nicht doch gut wäre. Ich würde nicht sagen, dass ich alles kann oder dass ich irgendetwas nicht kann. Ich bin in keiner Sache besser als alle anderen aber ich bin auch in nichts so schlecht, dass ich das nicht machen würde.
„Man optimiert sich selbst, indem man glücklich ist“
Eva: Welches ist dein Lieblingsschimpfwort?
Fynn Kliemann: Die meisten sind viel zu dolle. Wenn du dich mit deinen Kumpels beschimpfst, ist es immer richtig schnell viel zu doll. Vermutlich Lappen.
Eva: Wenn du ein Tier wärst, welches wärst du?
Fynn Kliemann: Möwe.
Eva: Wenn du für immer nur noch ein Lied hören könntest, welches wäre es?
Fynn Kliemann: Sag‘ ich dir sofort. (sucht während des Interviews ein Lied und spielt es direkt an) „Good morning“ von Ralph Castelli.
Eva: Woran bist du zuletzt gescheitert?
Fynn Kliemann: An mehreren Baubehörden in verschiedenen Bundesländern.
Eva: Zum Abschluss noch eine Frage von Instagram: Das linksprogressive Lager hat sich eigentlich darauf geeinigt, dass Selbstoptimierung kacke ist. Prallt so eine Kritik an dir ab?
Fynn Kliemann: Erstmal kann man sagen, das linksprogressive Lager einigt sich auf gar nichts. Die einigen sich darauf, dass sie sich generell nicht auf irgendwas einigen können. Selbstoptimierung kannst du interpretieren wie du möchtest. Ich sehe es so: Man optimiert sich selbst, indem man glücklich ist. Und was soll daran schlecht sein? Jemand anderes sieht Selbstoptimierung als Form von absoluter Performance. So sehe ich das nicht. Mein Leben zu optimieren, bedeutet für mich es besser zu machen, in welcher Form auch immer. Also mehr Zeit für Familie, die Freundin, den Hund, eine Tischtennisplatte. Das ist für mich alles Selbstoptimierung. Seinen Tag so zu gestalten, dass man möglichst viel Gutes für sich tut, ist pauschal erstmal nicht schlecht. Und da ich mich selbst zum linksprogressiven Lager zählen würde, dem aber widerspreche, kann man nicht sagen, dass wir uns geeinigt haben.
„NUR“ erscheint am 17. Dezember 2021 und kann hier bestellt werden.
Wann wart ihr zuletzt auf einer richtigen Party? Für Volontärin Eva ist es viel zu lang her, dass sie ihren allerliebsten Klub von innen gesehen hat: das Atomino in Chemnitz.
Je besser die Party, desto schlechter die Fotos! Wir freuen uns schon wie Bolle auf das Party-Comeback. Foto: Eva-Maria Gey
Meine Freund:innen können mein Gejammere langsam nicht mehr hören. „Wann können wir endlich wieder ins Atomino gehen“, frage ich sie Woche für Woche. Seit mittlerweile fast zwei Jahren. Zwar nimmt die Genervtheit über meine Frage jede Woche ein ganz kleines bisschen zu, die Schwermütigkeit nutzt sich jedoch bei keinem und keiner von uns ab. Viel zu lange ist es her, dass wir am späten Mittwochabend in Bernsdorf losgezogen sind, ein Wegbier dabei, versteht sich. Das Ziel: die Veranstaltung „Endlich Mittwoch“ im Chemnitzer Atomino. Vorn bespricht man, wer bei wem noch ein Getränk offen hat und welche Songs heute auf jeden Fall gespielt werden müssen. Hinten finden Reflektionen über Verflossenen xy statt, mit dem sich jetzt eine andere Person rumschlagen muss.
Am Eingang noch ein letztes Mal für diesen Abend möglichst nüchtern wirken und schon geht es hinab in den Keller der puren Freude. Wie viele Nächte wir hier unten verbracht haben, lässt sich schwer sagen. Das Atomino hat uns gezeigt, wie schön Feiern sein kann, wenn alle Feiernden auf Konsens und ein angenehmes Miteinander achten und dass man auch Türsteher:in sein kann, ohne Fascho zu sein.
Wie schön wird es, wenn wieder Partys und Konzerte in Chemnitz‘ tollstem Klub stattfinden können? Foto: Eva-Maria Gey
Natürlich ist es Jammern auf hohem Niveau, wenn ich sage, dass ich vor allem das Feiern vermisse, wenn sich doch seit Pandemiebeginn weltweit so viele fatale Probleme aufgetan und Katastrophen ereignet haben. Und trotzdem schmerzt mein Herz, wenn ich daran denke, wie fern die Aussicht auf eine Nacht im Atomino liegt. Als der Club im Frühling 2020 bekanntgab, dass erstmal Schluss mit Party ist, habe ich mit Freund:innen noch gemutmaßt: Geht es im Herbst wieder los oder werden wir wohl noch bis zum Frühjahr 2021 abwarten müssen – ein Trauerspiel.
Nun freuen wir uns, wenn alle gesund bleiben, die Infizierten sich schnell wieder erholen und je nach Entwicklung, vielleicht sogar ein Outdoor-Event in den wärmeren Monaten stattfinden kann. Atomino, wir vermissen dich alle! Und es tut uns leid, dass wir im Vorbeigehen nur kurz den Blick über deine Tür schweifen lassen, verstohlen wegschauen und einfach weitergehen. Zu groß ist die Sehnsucht, wenn wir uns an all die schönen Momente erinnern, die du uns bereitet hast und auf die wir aller Wahrscheinlichkeit nach noch ein Stück warten müssen. Aber eins ist sicher: Wenn du uns wieder reinlässt (Bitte lasst euch impfen!), sind wir sofort zur Stelle. Wir freuen uns schon unglaublich dolle. Und bis dahin schwelgen wir in Erinnerung und planen schon jetzt das größte Comeback seit Jesus!
Wer kennt sie nicht, die Kartoffel im Klub? Foto: Eva-Maria Gey