Volo… what? Klingt nach Schuften ohne Geld. Bevor ihr euch jetzt Minderjährige vorstellt, die Zeitungsbündel durch die Straßen schleppen: Entwarnung! Wir werden bezahlt und was noch besser ist, ausgebildet. Auf diesem Blog könnt ihr uns Jungjournalisten beim Zeitungsmachen beobachten. Ihr erfahrt Anekdoten zu unseren Geschichten. Das wird nicht nur getippt, sondern auch gefilmt und fotografiert: Wir bloggen crossmedial. Was das überhaupt bedeuten soll, könnt ihr gleich in dem ersten Beitrag von Sebastian lesen. Und: fragt, fragt, fragt. Wir möchten antworten.
„Crossmedial. Praxisnah. Interaktiv.“ Mit diesem Slogan bewirbt die Leipzig School of Media ihren Volontärskurs, den wir Volontäre von der Freien Presse besuchen. Einmal im Monat geht es nach Leipzig zu einer dreitägigen Schulung, die den Dienstjüngsten aus den Redaktionen das Rüstzeug journalistischen Arbeitens an die Hand geben soll.
Die Zeitung im Fokus, das Internet im Blick. Die FP-Volontäre bilden sich an der Leipzig School of Media crossmedial weiter.
Drei knackige Worte und vier frisch eingestellte Volontäre – das ergibt zusammen viele Erwartungen und ein Fragezeichen. „Praxisnah“ und „Interaktiv“ sind leicht aus dieser Gleichung aufzulösen. Wer würde etwas anderes von einem Kurs für junge Journalisten erwarten. Aber „Crossmedial“? Sind wir nicht bei einer regionalen Tageszeitung? Was haben wir mit „Crossmedia“ zu tun? Beim Blick in den Duden löst sich das Fragezeichen hinter dem Anglizismus nicht auf, sondern es lässt einen in den vermeintlich ergonomisch geformten Bürostuhl zurücksacken. Das wohl bedeutendste Nachschlagewerk der deutschen Sprache erklärt den Begriff nämlich folgendermaßen: „Unterschiedliche Medien (z.B. Fernsehen, Film, Internet) übergreifend“. Wo ist bei der Aufzählung der Medien die Zeitung geblieben, liebe geistige Erben Konrad Dudens? Oder gilt das Medium Tageszeitung in seiner öffentlichen Wahrnehmung einfach als so unzeitgemäß, dass es bei der Beschreibung von „crossmedial“ schlichtweg nichts mehr zu suchen hat? Die Beantwortung dieser Fragen diskutieren Wissenschaftler, routinierte Journalismus-Experten in den verschiedensten Medien (also „crossmedial“). Einen Lösungsansatz liefern alle. Allein der Wahrheitsgehalt lässt sich bei Vorhersagen aktuell nur schwer messen. Meine wenig routinierte Meinung dazu: Wir lernen „Crossmedia“ – wir Volontäre und damit auch die Tageszeitung „Freie Presse“. Dass man nicht bei null anfängt, zeigt der Internetauftritt freiepresse.de. Dass man sich weiterentwickeln will, dafür spricht der Kurs in Leipzig und ein Stück weit auch dieser Volo-Blog.
Die Fakten zum Volontärskurs an der „Leipzig School of Media“:
Anders als bei anderen Einrichtungen verteilt sich der Volontärskurs nicht über drei zusammenhängende Wochen. In sieben Modulen werden an jeweils drei Tagen die Grundlagen des journalistischen Arbeitens vermittelt.
Die Module befassen sich unter anderem mit den Themen Recherche, journalistische Darstellungsformen und rechtlichen Rahmenbedingungen.
Die Dozenten kommen aus Theorie und Praxis. Zum Beispiel: Prof. Dr. Michael Haller vom Institut für praktische Journalismus- und Kommunikationsforschung Leipzig oder Wolfgang Scheida von der Welt.
Homogen war noch ein schwacher Begriff für die Anzugsordnung, die sich bei den Passagieren des Flugs Berlin-Brüssel abzeichnete. Fast alle trugen feinen Zwirn. Nur zwölf junge Leute nicht, darunter ich. Wir gehörten einer Reisegruppe von Volontären aus Ost- und Norddeutschland an, die die Arbeit der Europäischen Union vor Ort in Brüssel kennenlernen durften.
Die 48 Stunden, die uns dafür zur Verfügung standen, waren mehr als gut gefüllt. Auf dem Plan standen Gespräche mit Referenten, Diskussionen mit Pressesprechern, Besuche in offiziellen Vertretungen der Staaten und Bundesländer. Ein kleiner Höhepunkt war die Teilnahme an der Mittagspressekonferenz, zu der an diesem Tag der Wettbewerbskommissar Joaquin Almunia eingeladen war. Almunia sprach über die Fusion von Fluggesellschaften und die Subventionierung von Nuklearkraftwerken in Großbritannien – kein leichter Stoff, wenn man nicht in eben diesem steht. Den zweiten Tag verbrachten wir überwiegend im Europäischen Parlament – allerdings ohne auch nur einen der 766 Abgeordneten zu Gesicht bekommen zu haben. Die waren in Straßburg, am Hauptsitz und eigentlichen Tagungsort.
Am Abend blieb dann noch etwas Zeit, die Stadt zu erkunden. Wenn sich Gegensätze anziehen, dann ist Brüssel wie ein großer Magnet. Waffeln und Pralinen für die einen, Bier und Pommes für die anderen. Gotische Prunkbauten für Geschichtsfans und Glas-Stahl-Gebäude für die Freunde moderner Architektur. Alles auf engstem Raum und irgendwo dazwischen (ja, man muss ihn schon etwas suchen) den Manneken Pis, den kleinen (in der Tat!) wasserlassenden Mann, der weltberühmt geworden ist (warum eigentlich?).
Und was hat das alles nun mit der Arbeit eines Lokaljournalisten zu tun, und warum war ich überhaupt in Brüssel? Die juristische Antwort: Ein Großteil der Gesetze und Richtlinien, die in Deutschland zur Anwendung kommen, werden genau dort verabschiedet. Nicht zu vergessen die vielen Fördermittel, die aus Brüssel fließen und auf die zum Beispiel mit den nicht zu übersehenden „EFRE“-Schildern aufmerksam gemacht wird. Die praktische Antwort: Auch wir Journalisten blicken häufig wie die – na sie wissen schon – ins Uhrwerk, wenn es um die EU geht. Auch für uns ist also ein Blick in das Räderwerk der ganz großen Politik sehr hilfreich.
Der Nischel von Karl Marx ist tatsächlich riesig. Von unten fotografiert, ergibt das schöne Touri-Bilder: den Karl knuddeln, ihm in der Nase bohren oder Küsschen geben. Vor ihm schieben sich Autos auf vier Spuren vorbei. Einmal links um die Ecke geschaut, stehen da die berühmten Plattenbauten: Welcome to Chemnitz!
Den Song „Ich will nicht nach Berlin“ kennt fast jeder. In Kraftklubs Hymne stimmen junge Städter fernab der Metropole und sogar selbstironische Berliner mit ein. Die Stadt, über
die bundesweit eher selten berichtet wird, bekam durch die fünf Jungs ein neues Image. Die alteingesessenen Chemnitzer geben sich aber alle Mühe, jungen Wind schnell fortzublasen. Kraftklubs erste Record-Release-Party wurde im Atomino gefeiert. Genau dieser Club muss jetzt umziehen. Warum wohl – die Anwohner mögen es gar nicht, wenn die Musik am Wochenende zu laut scheppert. Das ärgert die selbsternannte Regional-Brigade. Die „Zeit“ druckt sogleich ein Interview mit dem Sänger Felix Kummer. Der droht mit Abwanderung.
An Freiräumen und Potential mangelt es in Chemnitz ganz und gar nicht. Immer wieder stehen leere Industriebauten zwischen den Wohnhäusern. Da könnte sich Kleinkunst, Kultur und Musikszene gut einnisten. In Berlin würde man sich um solche Loftwohnungen reißen, aber eben in der Hauptstadt.
Um die 10.000 Studenten hat die TU Chemnitz: Wo sind die alle bloß? Am Wochenende zu Hause, in Leipzig oder in Dresden? Und selbst an den Wochentagen bleiben die meisten Studierenden auf dem Uni-Campus in Bernsdorf stecken. „Wir bekomm’ leider nix mit an der Bar im Atomino“, singt Kraftklub in dem Song „Eure Mädchen”. Wenn die schon nichts mitkriegen, wer denn dann?
Das Pendlerleben macht es schwer, sich auf Chemnitz einzulassen. Und wer am Wochenende nie da ist, packt die Koffer nie ganz aus. In niedlichen Studentenstädten reicht es, anwesend zu sein, um sich im Stadtleben zu integrieren. In Chemnitz muss man nach dynamischen Strukturen eher suchen oder selbst aktiv werden. Das merken Neulinge schnell.
Berlin war lange Zeit „the place to be“. Jetzt ist es Leipzig – warum nicht auch Chemnitz? Mit „a lively cultural scene, one of Europe’s largest intact art nouveau quarters and an unpretentious air”, wirbt der Lonely Planet für die ehemalige Karl-Marx-Stadt. Der Zug steht noch im Bahnhof, also aufspringen und mal richtig aus dem Fenster schauen.
Im Volontariat wandern wir nicht nur durch unsere Regional- und Lokalredaktionen, sondern wagen auch einen Blick über den vielbeschworenen Tellerrand. Damit wir Crossmedia nicht nur in der Theorie, sondern auch in der Praxis anwenden können. Julia Lappert ist deswegen für vier Wochen beim Radiosender MDR Info in Halle und hat eine kleine Videobotschaft geschickt.
„Vom Himmel hoch, da komm ich her“, tönt es ganz leise und zum ersten Mal in diesem Winter rieseln feine Schneeflocken herab und bedecken den Freiberger Obermarkt mit einer dünnen weißen Decke.
Es hätte nicht besser passen können: Der Freiberger Weihnachtsmarkt ist heute als einer der ersten Weihnachtsmärkte in Sachsen eröffnet worden, und für mich bedeutet das, dass mir nun jeden Morgen auf dem Weg zur Redaktion der Duft von gebrannten Mandeln und vom Holzkohlegrill in die Nase zieht, dass ich von morgens bis abends Weihnachtsmusik höre und beim Blick aus dem Fenster neben meinem Schreibtisch das Treiben zwischen den festlich beleuchteten und weihnachtlich geschmückten Buden beobachten kann. Für Weihnachtsliebhaber gibt es wohl keine bessere Zeit als das letzte Quartal des Jahres, um die Lokalredaktion Freiberg, die sich direkt am Obermarkt im Stadtzentrum befindet, kennenzulernen.
Blick aus dem Fenster der Lokalredaktion Freiberg auf den Obermarkt: Seit heute ist der Weihnachtsmarkt eröffnet.
Neben allerhand journalistischem Handwerkszeug lernt man hier im Dezember viel über typisch erzgebirgische Weihnachtstraditionen. Denn der Terminkalender ist prall gefüllt: In mehreren Orten werden die Pyramiden angeschoben, bald marschiert die Bergparade durch Freiberg und gesellige Abende in der Hutzenstub stehen an – die „Freie Presse“ ist dabei und berichtet für die Leser.
Auch wenn alle Kollegen wissen, dass es vor Weihnachten in der Redaktion deswegen auch mal stressig werden kann, freuen wir uns auf die bevorstehende Adventszeit – denn Früchte in Schokolade, gebrannte Mandeln und Vanillekrapfen versüßen uns die Arbeitstage. Aber die Kollegen in den anderen Regionen Südwestsachsens brauchen nicht neidisch nach Freiberg zu blicken. Denn die meisten Lokalredaktionen der „Freien Presse“ befinden sich direkt in der Innenstadt – und allerorts öffnen in den nächsten Tagen die Weihnachtsmärkte ihre Pforten.
Für die Lebensart-Seite in der Zeitung sollte ich einen Artikel über Nähen schreiben. Was Nähen ist, muss man nicht großartig erklären. Und wie man näht, kann man mit Zeitschriften und Büchern lernen. Die Frage ist: Warum nähen manche Leute in ihrer Freizeit, wenn es doch alles zu kaufen gibt? Stoffe und Zubehör, die man sich besorgen muss, machen selbstgenähte Kleidung nicht gerade billiger als im Laden. Dennoch, Nähen ist immer noch ein beliebtes Hobby. Um herauszufinden, was so besonders am Rumschneidern ist, habe ich mich selbst an die Maschine gesetzt. Der Text dazu steht auf der Lebensart-Seite vom 29. November und hier könnt ihr sehen, was dabei entstanden ist: ein bunt gefleckter Kapuzenschal.
Auch wenn wir Volos vom Status der alten Hasen weit entfernt sind, so richtig aufgeregt sind auch wir vor Terminen nicht mehr. Außer vor einem Interview mit Matthias Schweighöfer vielleicht. Alle von uns haben vor dem Volontariat ein paar Jahre als freie Mitarbeiter gearbeitet – und stürzen sich deshalb nicht erst mit Beginn des Volos ins Journalistendasein.
Das Gefühl, das sich in mir breit machte, als ich hastig gegen 21.30 Uhr an einem Abend vor einigen Wochen meine Sachen zusammenpackte, war deshalb ganz schön ungewohnt. Einmal im Monat treffen wir uns alle in Chemnitz zum Volotag und bekommen quasi Theorieunterricht. Das Thema Reportage, viele Kollegen sehen sie als Königsdisziplin im Journalismus an, war in zwei Teile aufgeteilt. Die Theorie war an einem Tag erarbeitet worden, nun stand an diesem Abend die praktische Umsetzung für mich an. Ich hatte mir überlegt vier Chemnitzer, die nachts arbeiten, zu besuchen, weil ich wissen wollte, wie die Nachtarbeit sie verändert. Nach einigen Vorgesprächen und Telefonaten stand mein genauer Ablaufplan mit Adressen, Ankunftszeiten und Telefonnummern fest. Doch was muss man eigentlich alles einpacken, wenn man die ganze Nacht unterwegs ist – und zwar nicht um zu feiern, sondern um zu arbeiten?
Bloß nicht hinsetzen
Erstmal musste sichergestellt werden, dass meine Grundbedürfnisse während dieser Nachtschicht gestillt würden. Also packte ich Kekse, Wasser und einen Apfel ein. Was ist, wenn ich selbst einfach zu müde werde? Nichts ist doch peinlicher, wenn man im Gespräch anfängt zu gähnen. Mehrere Flaschen Energydrink mussten her. Übermüdete Menschen frieren, ein Zusatzpullover kam also auch in die Tasche. Meistens mache ich mir auf Terminen nur Notizen, aber ein Diktiergerät kann nie schaden. Vielleicht bin ich ja irgendwann zu müde um zu schreiben. Und zwei Kulis sind auch besser als einer. Am allerbesten sind jedoch Bleistifte, die schreiben auch noch, wenn der Notizblock nassgeregnet ist. Zu blöd, wenn ich irgendwelche Hauseingänge nicht finden würde in der Dunkelheit. Deswegen kam auch eine Taschenlampe inklusive Ersatzbatterien mit in die Tasche. Langsam kam ich mir vor, als würde ich zu einer Abenteuerexpedition aufbrechen. Schnell noch den Handyakku aufladen und los gings.
Ich sammelte noch unseren Fotografen Georg Dostmann ein, denn die beste Reportage taugt nichts, wenn es keine tollen Bilder dazu gibt. Gegen 22.30 Uhr parkte ich in der Innenstadt und musste feststellen: In Chemnitz beginnt die Nacht etwas früher als anderswo, denn es waren kaum noch Autos auf den Straßen. Erste Station: Callcenter. Journalisten gehören zu den besonders neugierigen Menschen, deswegen frage auch ich immer viel mehr, als ich eigentlich für meine Geschichten wissen muss, wenn ich die Menschen interessant finde. Festquatschen ist deshalb ein Berufsrisiko.
Gegen 0.30 Uhr machte ich mich auf den Weg zum Druckzentrum der Freien Presse, wo reges Treiben herrschte. So langsam merkte auch ich, was es heißt nachts zu arbeiten. Bloß nirgends hinsetzen. Der Vorrat an Energydrink wurde langsam weniger, als ich um 1 Uhr vom Gelände an der Neefestraße Richtung Reichenhainer Straße fuhr. Der spannendste Besuch in dieser Nacht stand an und ich war froh, schon zum Vorgespräch in der JVA Reichenhain gewesen zu sein. Was zuerst alles total aufregend wirkte, war auf einmal doch ganz schön bedrückend, als ich durch die Gänge des Frauengefängnisses gehen durfte. Jetzt wusste ich wenigstens, was mich erwartete. Durch einen Seiteneingang wurde ich hinter den riesigen Stacheldrahtzaun gelassen und musste meinen Personalausweis abgeben. Über zwei Stunden unterhielt ich mich mit dem JVA-Beamten, der über eine Stellenanzeige in unserer Zeitung auf den Job im Gefängnis aufmerksam wurde.
Um 4.30 Uhr fuhren Georg und ich zurück in die Stadt und klingelten an der Tür zur Backstube von Uwe Hahn. Mir lief bei den tollen Gerüchen das Wasser im Mund zusammen. Im Geschäft füllten die beiden Verkäuferinnen die Theke mit frischen Brötchen und Teilchen und um kurz vor sechs Uhr klopfte schon ein erster Kunde an die noch verschlossene Tür. Die Straßen füllten sich wieder mit Leben und ich war auf einmal überhaupt nicht mehr müde. Das ist nämlich das allerschönste an unserem Beruf: Manchmal bekommt man die Möglichkeit hinter die Kulissen zu schauen. Und dafür die Nacht durchzumachen lohnt sich einfach immer.
“Die Presse veröffentlicht [bei der Kriminalberichterstattung] Namen, Fotos und andere Angaben, durch die Verdächtige oder Täter identifizierbar werden könnten, nur dann, wenn das berechtigte Interesse der Öffentlichkeit im Einzelfall die schutzwürdigen Interessen von Betroffenen überwiegt.” (Deutscher Presserat, Richtlinie 8.1 im Pressekodex)
Ein eilig geschriebener Zettel klebt am Tag der Durchsuchung an der Eingangstür. Passanten wundern sich, der Laden gilt als unauffällig.
Ausnahme: “eine außergewöhnlich schwere oder in ihrer Art und Dimension besondere Straftat” – das mag auf den NSU und seine Mordserie zutreffen. Vielleicht kennt deshalb inzwischen jeder die Namen der Hauptverdächtigen: Zschäpe, Böhnhardt, Mundlos. Aber wie ist es mit anderen Beschuldigten, die nicht in München als Angeklagte vor Gericht stehen und deren Rolle im Netzwerk noch nicht eindeutig geklärt ist?
Eine Szene, die sich eingebrannt hat
Der Mann auf dem Sofa zittert. Vor Anspannung vielleicht, weil der Laden seines Sohnes gerade gründlich von der Polizei nach Waffen durchkämmt wurde. Vielleicht vor Schmerz, weil sein Sohn als Beschuldigter im Zusammenhang mit dem NSU gilt und als solcher – mit vollem Namen – im Internet genannt wird. “Wenn ich seinen Namen google, steht da immer noch Beschuldigter”, sagt er.
Wir, ein Kollege und ich, stehen vor ihm, im Arbeitszimmer des Ladens seines Sohnes, weil der uns eingeladen hatte, um über den Polizeieinsatz zu reden. Seit dem Morgen hatten die Beamten unter anderem seine Wohnung und das Geschäft auf den Kopf gestellt. Es ginge um den Verdacht auf unerlaubten Waffenbesitz, hatte die Staatsanwältin nur gesagt. Eine Polizeisprecherin erwähnte aber auch, dass das Operative Abwehrzentrum (OAZ) für den Einsatz zuständig sei. Eine Einrichtung, die in Sachsen gegründet wurde, um künftig effektiver gegen Rechtsextremismus vorgehen zu können. Das war mein Kenntnisstand, als ich mittags erstmals zu dem Laden gefahren war. Der war natürlich geschlossen, die Polizisten durften mir nichts sagen. Nicht, ob sie etwas gefunden hatten, nicht, warum das OAZ dabei war. Von außen sah ich, wie die Deckenplatten angehoben wurden, um darüber zu schauen, wie Polizistinnen DVD-Boxen aus den Regalen räumten, um dahinter zu schauen. Die Nachbarn, ein ehemaliger Praktikant, andere Ladenbesitzer: Keiner hatte eine Erklärung für den Polizeieinsatz, der mittlerweile seit Stunden lief. Die Staatsanwältin wollte auch erst mehr sagen, wenn die Durchsuchung abgeschlossen sei.
Der entscheidende Tipp kam von einem Kollegen: Der Ladenbesitzer soll eine Verbindung zum NSU haben, hatte er gehört. Ein Blick in unser Archiv zeigte: Tatsächlich hatte es in dem Zusammenhang vor anderthalb Jahren schon eine Durchsuchung desselben Ladens gegeben. Es ging um die Frage, wer dem NSU-Trio die Waffen besorgt hatte. Noch ohne die aktuellen Ergebnisse zu kennen, sind wir nachmittags zum Laden zurückgekehrt. Der Inhaber zeigt uns die Spuren der Durchsuchung, aufgehackte Fließen und Wände, und erzählt seine Sicht. Der junge Mann will nichts mit den Waffen zu tun gehabt haben, und verdächtigt selbst einen ehemaligen Mitarbeiter.
Zahlreiche Einsatzfahrzeuge der Polizei stehen vor und hinter dem durchsuchten Haus. Mit der Presse reden dürfen die Polizisten vor Ort nicht.
Natürlich müssen wir über den Einsatz berichten, zumal Beate Zschäpe unter falschem Namen eine Kundenkarte des Geschäftes hatte. Natürlich lässt es sich für einen Anwohner, der den Polizeieinsatz gesehen hat, nachvollziehen, wem der Artikel gilt. Wir haben uns dennoch entschieden, den Namen des Inhabers nicht zu nennen. Vielleicht wusste der Mittdreißiger, was in seiner Zwickauer Filiale lief – vielleicht nicht. Vielleicht spielt er den Unschuldigen – vielleicht ist er auch nur ein Familienvater, der auf den Falschen als Mitarbeiter gesetzt hat. Wir wissen es nicht, und ist es nicht Aufgabe von Polizei und Justiz, hier für Aufklärung zu sorgen?
Andere Artikel, die ich zur ersten Durchsuchung fand, waren weniger zurückhaltend. Auf dem Internetauftritt einer überregionalen Tageszeitung wird der volle Name des Verdächtigen (und der seines Mitarbeiters, dessen Wohnung damals ebenfalls durchsucht wurde) genannt. Warum er nicht anonymisiert wurde, wollte ich von der Politikredaktion der Zeitung wissen. Meine zwei Anfragen per E-Mail blieben unbeantwortet.
Natürlich hat jeder im Heimatort davon gehört, dass der Sohn Verbindungen zum NSU gehabt haben soll, erzählt sein Vater: “Das ist rum, na klar.” Er zeigt uns einen ausgeschnittenen Artikel an der Pinnwand, den eine Kollegin über sein eigenes Geschäft in dem Dorf geschrieben hatte. Der Mann ist bleicher als auf dem Foto, sein Sohn weit entfernt von entspannt. Die Ermittlung hat Spuren hinterlassen, nicht nur an den Wänden. Natürlich lässt mich das nicht kalt. Aber ich glaube, Empathie ist wichtig in unserem Job; Empathie hilft, uns vor Fehlern zu bewahren, die das Leben von Menschen ändern können.
Hier hapert es noch ein bisschen mit der deutsch-englischen Übersetzung. Foto: Hugo Flotat Talon
Englischkenntnisse gehören zum guten Ton. Aber auch andere Sprachen verschönern das Bewerbungsschreiben. Chinesisch, Türkisch und Spanisch – viele Menschen haben Spaß daran, eine neue Sprache zu lernen. Wer 40 bis 45 Stunden pro Woche arbeitet, hat dafür aber recht wenig Zeit. Also, welche Alternativen gibt es für Arbeitende, die weder wahnsinnig teuer sind noch den Schlaf rauben?
Wissenschaftler schätzen, dass heute über 6800 Sprachen auf der Welt gesprochen werden. Da kann jeder wohl nur einen Bruchteil von aufzählen. SchülerInnen müssen mindestens eine Fremdsprache im Stundenplan eintragen. Für StudentInnen sind Sprachkurse oft Pflicht. Arbeitslose können Intensivkurse einer Fremdsprache als Weiterbildungsmaßnahme verordnet bekommen. Und RentnerInnen finden ein breites Angebot bei den Volkshochschulen.
Aber was ist mit Berufstätigen? An den Universitäten sind die Kurse an die Studis angepasst und damit entweder am Morgen oder am Nachmittag. Und an der Volkshochschule sind die meisten Kurse am frühen Abend, wo viele gerade erst mit der Arbeit fertigwerden. Damit ist es tatsächlich ein Problem, sich neben dem Beruf weiterzubilden – oder in diesem Fall zum Sprachunterricht zu gehen.
Beispiel: Was geht in Chemnitz?
1. Club der Kulturen
So stellt man sich einen richtigen Studentenclub vor: In den Ecken stehen Sofas, Getränke kauft man zum kleinen Preis an der Theke und ganz hinten im Raum ist Platz für Jamsessions und die Tanzmeute. Der Club organisiert verschiedene Kulturabende – lass es Abende über Alaska, persische Nächte oder deutsches Weihnachten für Ausländer sein. Hier beginnen internationale Freundschaften. Der Veranstaltungskalender ist vollgepackt. Außerdem ist die Atmosphäre locker: Deshalb können sich auch Nicht-Studis undercover unter das Volk mischen. Auf der Internetseite des Clubs sind die Infos zum Programm aufgelistet.
Tipp: Nina Urbanowitsch ruft einmal im Monat zum Sprachabend im Club der Kulturen auf. Alle Anwesenden schreiben auf einen Klebezettel, welche Sprachen sie sprechen (z. B. Russisch, Hindi). Ein zweiter Zettel gibt an, welche Sprache man an diesem Abend sprechen möchte (z. B. Deutsch, Englisch).
2. Sprachstammtisch
Man kann sich aber auch gleich auf die Zielgerade begeben und direkt einem Sprachclub beitreten.
What’s up dude? Hier organisieren Freunde der englischen Sprache regelmäßige Treffen in verschiedenen Kneipen in Chemnitz. Die Hauptsache ist: Es wird nur auf Englisch miteinander gesprochen. Native speakers and expatriates are also welcome!
Beim Sprachtandem treffen sich zwei Menschen aus verschiedenen Ländern, die die Muttersprache des anderen lernen wollen. Das kann man ganz streng angehen: In der ersten Stunde wird konsequent nur eine Sprache gesprochen. In der zweiten Stunde kann man wechseln und die andere Sprache durchgekauen. Wenn Tandempartner gut miteinander auskommen, steht jedoch der kulturelle Austausch im Vordergrund. Es geht darum, neue Leute aus anderen Ländern kennenzulernen. Strenges Vokabelpauken gibt es woanders. Die TU Chemnitz bietet eine Tandembörse an, in der jeder eine Suche eintragen und eine Mail-Adresse hinterlassen kann.
Neue Stadt, neue Sprache, neue Kultur: Das Patenprogramm der TU Chemnitz vermittelt ausländischen Neuankömmlingen hilfsbereite Ansprechpartner vor Ort. Den Neuen soll das deutsche Behördensystem schonend beigebracht werden. Gleichzeitig haben sie einen ansässigen Paten, der ihnen die besten Verstecke der Stadt zeigt. Auch hier gilt: Austauschen und neuen Menschen begegnen.
Zweitausenddreizehn. Ausgeschrieben liest sich die Jahreszahl ausgesprochen zäh; dabei ging das Jahr 2013 doch flugs an uns vorüber. Werfen wir einen Blick zurück:
Januar: Während ich in der Universitätsbibliothek sitze, drinnen, im Warmen und an den letzten Sätzen meiner Diplomarbeit feile, tobt draußen ein wildes Schneegestöber. Klingt ungemütlich, sieht aber wunderschön aus. In Gedanken versunken, trifte ich in die unendlichen Weiten ab. Das sieht dann in etwa so aus: „Wenn sich das Universum wie ein Ballon aufbläht und wir im Ballon sind, was ist dann außerhalb? Gott? Noch ein Ballon? Oder völlig verrückt: Nichts?“
April: Ich bin offiziell exmatrikuliert. Ein Alptraum, der mich dank perfektionierter Prokrastination schon des Öfteren aus der Rem-Schlafphase gerissen hat, wird wahr. Klingt dramatisch, ist aber der normale Gang des Studenten-Lebens. Denn: Ich bin fertig. Endlich. To mark the occasion: Hebt die Gläser!
September: Ende des Monats folgt der nächste Meilenstein: Ich hänge meine Freie Journalist- und Kellner-Karriere an den Nagel – und ziehe gen Osten. Freie Presse, Plauen, sächsischer Dialekt, isch komme!
Dezember: Der dritte Advent ist vorüber. Und ich habe noch keine Weihnachtsgeschenke. Oh, Schreck. Wie die letzten drei Monate in der Plauener Lokalredaktion waren? Engagierte Kollegen, gute Themen. Was mir in Erinnerung bleibt? Eine kleine Auswahl: trickreiche Kaninchenzüchter und der Mief von 500 Kühen.
Abwechslungsreich! Aber hola! Ich habe in Plauen im 5. Stock Plattenbau gelebt und in Zwickau in einer 15-Quadratmeter-Wohneinheit samt Bad und Küche gewohnt. Ein Vierteljahr bin ich täglich nach Zschopau ins Erzgebirge geeiert, dafür hatte ich drei Monate lang einen Arbeitsweg von nur zwei Minuten.
Meine eindrücklichsten Recherchen? Kurioserweise fällt mir da der Katzenfütterer von Plauen ein. Ist jetzt vielleicht nicht so eine super Vorzeigegeschichte, aber scheinbar hat mich das Thema beschäftigt, wenn ich immer noch dran denke. Es ging um einen armen Mann, der kaum Geld zum Leben hat, aber trotzdem täglich die vielen streunenden Katzen an der Talsperre Pirk mit frisch gekochtem Essen füttert. Die Leserreaktionen waren enorm und reichten ungefähr von „Kann ich für den Mann spenden?“ bis „Man müsste die Viecher erschlagen!“ Aufregerthema gelungen. Andere Geschichten drehten sich um Stasi-Opfer, Streik in der Reichenbacher Klinik, einen DFB-Physiotherapeuten oder den Einfluss der Zensuszahlen auf kleine Kommunen. Ich schrieb über den Arbeitsalltag eines Bademeisters, Hochwasserschäden und barrierefreie Wahllokale, eine Jungunternehmerin, die sich von Behörden gegängelt fühlt und eine Bäckersfrau, die noch in die hinterletzten Erzgebirgsdörfer kutschiert, um die letzten verbliebenen Einwohner mit frischen Brötchen zu versorgen. Joa, ich sag mal: auf ein Neues!
„Genies fallen nicht vom Himmel. Sie müssen Gelegenheit zur Ausbildung und Entwicklung haben,“ sagte der Sozialdemokrat August Bebel (1840 – 1913). Bei der Freien Presse ist das so. Kaum in der Redaktion angekommen, hieß es: Themen suchen, recherchieren und Artikel schreiben. Wir lernen hier nicht nur Theorie, sondern probieren sie jeden Tag aus. Selbst wenn dabei nicht sofort journalistische Meisterwerke entstehen, hat man immer wieder die Chance, es beim nächsten Mal besser zu machen. Besonders gut gefällt mir, dass an konstruktiver Kritik nicht gespart wird, die für Volontäre eben auch so wichtig ist. Meine erste Volo-Station ist schon vorbei. Ab Januar heißt es: neue Themen, neue Kollegen und neue Texte. Die Volos kommen viel rum in ihrem Ausbildungsleben.
Am 2. Januar war mein erster Arbeitstag bei der Freien Presse in Chemnitz, kaum zwei Wochen vorher hatte ich einer unfreundlichen Person im Prüfungsamt der Uni Düsseldorf meine Masterarbeit in die Hand gedrückt. Wiederum zwei Wochen später hatte ich mein erstes Interview mit einem Star: Matthias Schweighöfer stellte in Chemnitz seinen neuen Film vor. Alle Aufregung war irgendwie umsonst, nach fünf Minuten war alles wieder vorbei. In den folgenden Monaten war ich für die Freie Presse bei Konzerten von den Sportis und Joe Cocker, besuchte die JVA in Chemnitz und Angela Merkel besuchte uns in der Redaktion. Ich sprach mit Björn Casapietra, Nico Müller und Gaby Hauptmann. Versuchte viele komplizierte Statistiken zu verstehen (Journalisten und Zahlen, aber das Thema ist einen eigenen Blog-Eintrag wert), und mischte mich unter die Teilnehmer eines Greenpeace-Camps. Kassierte mindestens fünf Strafzettel wegen Falschparkens (das teure Los des Ortsunkundigen) und beschäftigte mich mit illegalem Müll, ausländischen Studenten und der sächsischen Textilbranche. Und ich feierte mit den Zschopauer Senioren in einem Jugendzentrum – und hatte die ganze Zeit den Song „Forever young“ im Kopf. Und weil das Beste immer zum Schluss kommt, durfte ich mich kurz vor Weihnachten als Christkind verkleiden.
Das erste Jahr meines Volontariats war eine spannende und abwechslungsreiche Zeit, in der ich viele interessante Geschichten recherchiert und geschrieben habe. Doch eine ist mir besonders in Erinnerung geblieben: Im Vogtland, wo ich den Sommer verbrachte, bekam ich den Auftrag, einen Mann zu interviewen, der schwer erkrankt war und dem deshalb ein neues Herz und eine neue Lunge transplantiert werden mussten. Das Thema ging mir sehr nahe und vor dem Interview hatte ich ein mulmiges Gefühl – das gebe ich ehrlich zu. Ich wusste schließlich, dass das Gespräch sich um viele persönliche, intime und auch schmerzliche Dinge drehen wird. Doch alle meine Sorgen waren unbegründet. Es hat mich tief beeindruckt, wie offen und ehrlich mein Gegenüber mir Einblick in seine Krankheitsgeschichte gewährt hat. Nie vergessen werde ich die Lebensfreude und Fröhlichkeit, die er und seine Frau, jetzt nachdem alles gut geworden ist, ausgestrahlt haben. Hier gehts zum Artikel.
Inspirierendster Termin: Manchmal trifft man Menschen, die so einzigartige Dinge tun oder einfach nur einzigartig sind, dass man danach mit dem Gedanken nach Hause eilt: Wow! Ich muss etwas tun! Wenn ich zum Beispiel durch eine abgefahrene Frisur daran erinnert werde, dass der letzte Friseurtermin gefühlt Jahre zurückliegt. Oder dass ich diesen Roman von Tom Wolfe, den der Interviewpartner da hatte, unbedingt auch haben muss. Oder, dass sein voller Kühlschrank mich anschreit: Geh einkaufen!
Dieses Jahr – Trommel – geht der Preis an: einen Kinderhort. Dort traf ich beim Rauchen auf dem Balkon zufällig eine unbeteiligte Dritte. Zum Hintergrund: Ein guter Freund von mir ist auf der Suche nach einem Spielfilm, den er irgendwann einmal im Fernsehen gesehen hatte. Doch er wusste nicht einmal den Titel des Films. Diese unbeteiligte Dritte jedenfalls hatte den Film auf VHS. „Wow! Ich muss etwas tun!“, dachte ich und ließ mir von ihr versprechen, mir die Kassette zu überspielen.
Termin, über den ich mich geärgert habe: auch der Kinderhort. Die Betreuerin war hyperaktiv, ich hatte Kopfweh und keine Chance, sie zu unterbrechen, ohne unfreundlich zu werden. Als ich ankündigte, noch jemand anderen aus dem Hort zu befragen, verfolgte sie mich. Ihre Stimme wurde immer schriller und formte Details aus ihrem Privatleben, die mich nicht interessierten, zu Worten, die ich nicht hören wollte.
Termin, über den ich mich gefreut habe: Kinderhort. Die VHS-Kassette sollte die perfekte Weihnachtsüberraschung für meinen guten Freund sein.
Termin, über den ich mich gefreut habe und im Nachhinein enttäuscht wurde: Der Kinderhort. Nach all dem Ärger hatte mein Kumpel den Film eine Woche zuvor selbst gefunden.
Heiße Tage und Nächte. Gefühlt war es ja ein eher kaltes, schnee- und wasserreiches Jahr. Ja der ewige Winter und das katastrophale Hochwasser haben auch mein journalistisches Jahr geprägt. Zwei Mal wurde es aber auch richtig heiß für mich, einmal klimatisch, einmal politisch. Ende Juli, 35 Grad, strahlender Sonnenschein. Ausgerechnet da machte sich der Extremsportler Thorsten Hoyer auf zu seinem Rekordversuch. In drei Tagen wollte er 250 Kilometer am Stück auf dem Kammweg im Erzgebirge laufen – ohne Übernachtung. Und ich durfte ihn eine Weile begleiten – für längere Pausen hatte Hoyer ja keine Zeit. Was nach einem Höllenritt klingt, entpuppte sich als angenehme Wandertour. In zwei Stunden legten Hoyer und ich gemeinsam 13 Kilometer zurück – und tauschten uns über Gott und die Welt aus. Sein Ziel hat Hoyer erreicht, mit den Kräften am Ende und völlig übermüdet. Aber zu diesem Zeitpunkt saß ich zum Glück schon wieder im klimatisierten Büro.
Noch eine heiße Nacht gab es im September: die Bundestagswahl 2013. Das Ergebnis war eindeutig – und dann doch wieder nicht: Als wir 0.30 Uhr die letzten Seiten rausgeschickt hatten, bestand noch immer die Gefahr, dass wir am nächsten Morgen aufstehen und die FDP doch noch in den Bundestag eingezogen ist. Im Bund war das dann zum Glück nicht der Fall, in Hessen hatten wir uns aber verkalkuliert: Dort zog die FDP doch noch über Nacht in den Landtag ein. Ein langer Atem – genau wie bei Thorsten Hoyer.
Wahljahr 2013 – nicht nur für ganz Deutschland, sondern auch für mich. Nach dem hartem Wahlkampf (Bewerbungsphase) folgte das Ergebnis, das nur eine realistische Schlussfolgerung zuließ: die Große Koalition (die Heimat verlassen und bei der Freien Presse als Volontär anfangen). Als ich den Koalitionsvertrag (Volontärsvertrag) schwarz auf weiß in den Händen hielt, ging es mir ähnlich wie der SPD-Basis: Inhaltlich entsprach der Kontrakt zum größten Teil meinen Vorstellungen, emotional hat sich aber doch etwas dagegen gesträubt. Denn ich musste meine Heimat verlassen, um ihn zu erfüllen. Mit der Unterschrift war ich in der nächsten Legislaturperiode (Volontärszeit) an etwas gebunden, das mir nicht ganz geheuer war (Chemnitz). Mein inneres Mitgliedervotum ist dann aber noch eindeutiger ausgefallen als bei den Genossen: Mit 100 Prozent Zustimmung bin ich in die Große Koalition gestartet.
Die Angst saß mir buchstäblich im Nacken. Auf jedes Knacken und Knistern lauschend stand ich irgendwo im Nirgendwo, um mich herum nichts als Pinienbäume, Büsche und kniehohes Gras. Der Wanderweg mehrere hundert Meter entfernt… ein Zaun? Fehlanzeige. Jeden Moment, so dachte ich panisch, könnte ein Stier mit riesigen Hörnern wutschnaubend aus dem Gebüsch kommen und glauben, wir greifen seine Herde an. Wir, mein Fotografen-Freund und ich, haben Urlaub in der Toskana gemacht und seit ich bei der „Freien Presse“ Volontärin bin, schreibe ich über jede meiner Reisen einen Artikel für die Seiten „Reise & Erholung“, die immer in der Samstagsausgabe erscheinen.
Ein Maremma-Rind in einem geschützten Regionalpark an der Ostküste Italiens. Foto: Toni Söll
So stand ich also mitten im Regionalpark der Maremma. Mehrere Hundert weiße Rinder leben in diesem Park, der so groß ist wie die Insel Sylt, noch wild. Die Cowboys der Toskana, die Butteri, treiben sie im Sommer in küstennahe Gebiete und im Winter in geschütztere Wälder. Informationen und Eindrücke für meinen Text hatte ich längst genug gesammelt. Was fehlte, war ein Foto; ein Foto von einem dieser Rinder mit den großen gebogenen Hörnern.
Rund zehn Kilometer waren wir schon durch den Park gewandert, aber nirgends hatten wir eins der Tiere gefunden. Doch von einem Aussichtsturm aus sahen wir sie dann. Also nichts wie hin. Blöd nur, dass die Herde sich ins Dickicht zurückgezogen hatten. Mein Fotografen-Freund kannte offenbar keine Furcht. Ohne zu zögern verließ er den Weg und stapfte auf die Herde zu – ich hinterher. Ganz nah pirschten wir uns an sie heran. Das leise Surren der Kamera ließ die Tiere aufhorchen. Die Maremma-Rinder sind scheu, suchen bei Begegnungen mit Wanderern meist schnell das Weite. Doch wir hatten Glück: Aufmerksam und völlig regungslos starrten die Kühe uns an, bis wir uns langsam und vorsichtig wieder zurückzogen.
Der Stier kam nicht, um seine Herde zu beschützen. Als wir zurück in Richtung Parkplatz wanderten stand mir der Schweiß auf der Stirn – aber nicht vor Anstrengung.
Erste Volontärsstation: „Recherche“. Klingt nach Telefondienst – ist es aber nicht. Die Kollegen (und der Volontär) vom Recherche-Ressort der Freien Presse beliefern von Politik, Wirtschaft bis hin zu Sachsen viele Seiten der Tageszeitung. Telefonieren muss man aber wie in jeder anderen Redaktion natürlich auch. Und genau hier fängt das Problem an.
Bei 80 Prozent der Anrufe hat man nämlich – vorsichtig geschätzt – nicht den Gesprächspartner am Ohr, dessen Statement so wichtig für den eigenen Artikel ist. In der Regel verbindet der erste Gesprächspartner dann zum gewünschten oder verantwortlichen Kollegen. Nicht selten braucht es dafür jedoch mehrere Versuche. So hängt der Volontär gefühlt minutenlang an seinem Telefon und lauscht den verschiedensten Warteschleifen. Von Rathäusern über Ministerien bis hin zu mehr oder weniger unabhängigen Instituten und Unternehmen: Jede Organisation pflegt einen eigenen Stil bei der technischen Version des Hörer-Weiterreichens. Diese akustische Untermalung verlorener Arbeitszeit lässt sich grob in vier Kategorien einteilen:
Popklassiker: In der Regel eine völlig willkürliche Auswahl frei nach dem Motto: „Das Beste aus den 80ern, 90ern und von heute“. Oft auch in der instrumentalen Version. Bei guter Titelauswahl verleitet diese Art der Warteschleife durchaus zum vorsichtigen Mitsummen. Muss es aber nicht. Zumal trotz Karaoke-Sound jede Sekunde wieder ein Gesprächspartner am anderen Ende der Leitung auftauchen könnte.
Achtung! Die meisten Gesprächspartner kennen die Weiterleitungstöne aus dem eigenen Haus nicht und können die gute Stimmung nicht nachvollziehen. Fotos (4): Tanja Goldbecher
Die monotone Ansage: Gerne auch in englischer Sprache gehalten, wird sie schon bei der zweiten Wiederholung zur Qual für das Volontärs-Gehör. Ob lasziv gesäuselt oder im maschinellen Stakkato – es ist die Variante, die wohl die meisten Nerven kostet.
Spätestens beim dritten “Sie werden verbunden” möchte man in den Hörer beißen. Auch Hintergrundmusik macht solche Ansagen nicht besser.
Klassische Musik: Entspannend, fast schon beruhigend, lassen sich die Meisterwerke der Größen vergangener Epochen auch über mehrere Minuten anhören. Wartender, was willst du mehr? Problematisch wird es erst, wenn die Wahl der Instrumente nicht stimmt. Beethovens Neunte, vorgetragen mit einem schrillen Kinder-Glockenspiel, treibt einem die Tränen in die Augen.
Klassische Musik am Telefonhörer beruhigt. Zu viel Entspannung ist aber nicht empfehlenswert!
Lobende Erwähnung: Die hat sich an dieser Stelle die Stadt Hohenstein-Ernstthal im Landkreis Zwickau verdient. Als Karl-May-Geburtsstadt bedient sich die Stadtverwaltung der berühmten Filmmelodie aus den Winnetou-Filmen – originell!
…wie oft ich diese Floskel auf Presseterminen schon gesagt habe, weiß ich nicht. Jetzt sagte diesen Satz mal jemand zu mir – und zwar im wahrsten Sinne des Wortes. Während andere Vereine trockene Pressemitteilungen schreiben, um die Bilanz des Vorjahres bekannt zu geben und die aktuellen Termine anzukündigen, lässt sich der Plauener Schützenverein „Treffer“ nicht lumpen und lädt jedes Jahr zum traditionellen „Presseentenschießen“ ein – um all den Informationen einen unterhaltsamen Rahmen zu geben.
In der Plauener Redaktion drückte man mir die Einladung des Vereins in die Hand – verbunden mit guten Wünschen und Hoffnungen auf ein kostenloses Mittagessen. Der erste Preis sollte schließlich eine richtige Ente – bereits geschlachtet und fertig für den Ofen – sein. Nach einem Kaffee in der Vereinsgaststätte der Schützen – das war wohl schon der erste Fehler, denn richtige Schützen verzichten auf das Heißgetränk, um eine ruhige Hand zu haben – und einem kurzen Pressegespräch ging es mit den anderen Journalisten auf den Schießstand.
Der Vereinsvorsitzende wies mich ein und lud mir die Kleinkaliberpistole. Gehörschutz auf die Ohren und los gings. Einmal Tatortkommissarin spielen, das war schon toll. Nach fünf Probeschüssen hatte jeder zwei mal fünf Schüsse, die in 25 Meter Entfernung auf der Schießscheibe landen sollten. Sollten, denn so motivierend der Name „Treffer“ der Gastgeber auch klingt – aus mir wird in diesem Leben wohl keine Schützenkönigin mehr.
Mit 17 Ringen landete ich auf dem sechsten Platz – von sechs Plätzen. Und hatte alles richtig gemacht, da nur der erste und letzte Platz mit Geschenken geehrt wurden. Als Trostpreis bekam ich vom Vorsitzenden des Schützenvereins eine weiße Tonente mit schickem Schleifchen – die wahre Presseente, wie mir versichert wurde – überreicht. Sie wacht nun in der Plauener Redaktion über meine Tastatur, damit ich keine Presseenten, pardon Zeitungsenten, produziere.
Was sieht man, wenn man Sonntagnachmittag beispielsweise durch die Straßen von Chemnitz schlendert? Eingefallene Häuser oder leerstehende Fabriken sind nicht gerade ein Tourismusmagnet. Der Hobbyfotograf Robert Poser entdeckt aber genau in solchen Motiven die Schönheit der Stadt.
Vor zwei Jahren zückte Robert Poser zum ersten Mal sein Handy, um „mit Bildern Momente festzuhalten“. Der 31-Jährige will nicht vorbeigehen, sondern stehen bleiben und das betrachten, was es um ihn herum zu sehen gibt. Das müssen keine Burgen oder malerische Gassen sein. Der gebürtige Dresdner schnappt einfach sein Handy oder eine leicht defekte Spiegelreflexkamera, wenn er sich in Sachsens Umgebung herumtreibt. Alle Bilder, die er schießt, bearbeitet Poser mit Apps wie „Snapseed“ oder „Filterstorm“ auf dem Handy. Seine Lieblingsmotive sind verlassene Fabriken und alte Häuser – sogenannte Lost Places. Hier gibt es eine Auswahl von Bildern, die Robert Poser in Chemnitz und Umgebung aufgenommen hat.
Wenn ihr auch das Besondere im Alltäglichen fotografiert habt, schickt uns die Bilder mit einer kleinen Beschreibung und eurem Namen. Wir wollen zeigen, was man in Südwestsachsen alles entdecken kann, wenn man nur richtig hinschaut.
Seit 2. Januar haben wir Verstärkung:Christoph Pengel und Julia Keller zählen seit drei Wochen zum Team der Nachwuchsredakteure. Dagegen haben Laura Kaiser und Benjamin Lummer ihr Volo im Dezember erfolgreich abgeschlossen (und wurden feierlich in der Hall of Fame begrüßt).
Damit sind wir nun neun junge Leute, die von den Kollegen in 19 Lokalredaktionen sowie den Ressorts Recherche, Kultur, Sport, Ratgeber oder am Newsdesk alles lernen, was ein Redakteur wissen muss – und noch ein bisschen mehr :-)
Wenn ihr wissen wollt, wie Christoph und Julia zur Freien Presse gekommen sind und wen sie unheimlich gern mal interviewen möchten, klickt einfach auf die blau markierten Namen. Das gesamte Voloteam findet ihr hier.
Anika Heber, 27 Jahre jung, Ex-Volontärin bei der “Freien Presse”, arbeitet seit ein paar Monaten als Reporterin in der Oelsnitzer Lokalredaktion. Jürgen Freitag sprach mit ihr über Kinder, Partysemester und mysteriöse Todesfälle.
Anika Heber, 27 Jahre alt, ist frischgebackene “Freie Presse”-Redakteurin im Vogtland. Fotos: Harald Sulski
Jürgen Freitag: Du hast im Vorfeld Plätzchen und Kätzchen gewünscht. Getreu dem Mariah-Carey-Motto: Ohne abgefahrene Forderungen kein Interview. Leider habe ich nur ein paar Taschentücher mitgebracht – falls es emotional wird. Dein Wunschkatalog führt mich aber zur ersten Frage: Braucht es als Journalistin Diva-Qualitäten? Stichwort: Frauen in Führungspositionen.
Anika Heber: Eine Diva ist für mich eine Frau, die schwierig ist im Umgang. Das ist keine gute Eigenschaft für eine Journalistin. Ich würde nur insofern zustimmen, als dass man einen Standpunkt, eine Meinung haben sollte. Und die muss ich auch vertreten. Das Wort „aber“ zu sagen, und seinen Standpunkt zu begründen, das ist wichtig. Dass es nur wenige Journalistinnen in Führungspositionen gibt, liegt eher an sozialen Aspekten wie der Familienplanung.
Das heißt?
Mit dem klassischen Familienbild von Mann und zwei Kindern ist der Job nur schwer zu vereinbaren. Lange Arbeitstage, die erst spät abends enden; nicht die beste Ausgangslage. Es bräuchte einen Mann, der geregelte Arbeitszeiten hat oder der freiberuflich tätig ist. Oder man hat Großeltern vor Ort, die mithelfen können. Und selbst dann ist es schwierig.
Du hast Journalistik in Leipzig studiert. Ein schlauer Satz aus der Medienwissenschaft lautet: „Man kann nicht nicht kommunizieren.“
Ja, auf non-verbale Kommunikation achte ich zum Beispiel, wenn ich Interviews führe. Schaut dich der Interviewpartner an, wenn er spricht oder nicht? Geht der Augenkontakt verloren, kann das ein Indiz sein, dass etwas nicht stimmt. Oder dass das Thema meinem Gegenüber unangenehm ist.
Seit September 2013 arbeitet sie in der Oelsnitzer Lokalredaktion.
Deine Menschenkenntnis konntest du sicher auch schärfen, als du für ein Auslandssemesters in Lissabon warst. Hand aufs Herz, auf wie vielen Erasmus-Partys warst du in den sechs Monaten?
Das waren gar nicht so viele.
Sonst heißt es immer, Erasmus-Studenten feiern nur.
Lissabon und Portugal sind nicht die klassischen Erasmus-Ziele, anders als zum Beispiel Spanien. Es gab nur wenige ausländische Studenten in der Stadt. Einmal im Monat war eine Party, da sind wir auch regelmäßig hingegangen. Es war also kein Spaßsemester. Ich hatte sogar deutlich mehr Semesterwochenstunden als in Leipzig.
Deine Diplomarbeit hat den Titel: „Eine Untersuchung von Attributionsprozessen in der Live-Berichterstattung des Fernsehens über ausgewählte Wintersport-Veranstaltungen“. Bitte was? Eine Zusammenfassung in einem Satz.
(Lacht.) Die Arbeit beschäftigt sich mit Ursachenzuschreibungen von TV-Kommentatoren über Wintersportler und stellt dabei fest, dass die Reporter vor allem internale Ursachen für die Leistung und die Ergebnisse der Athleten nennen. (Anm. d. Red.: Internale Ursachen sind personenbedingte Gründe; externale Ursache meint situationsbedingt.)
Ah ja. Wie kamst du eigentlich zur Freien Presse?
Das ist meine Heimatzeitung, ich komme ja ursprünglich aus Crimmitschau. In der Lokalredaktion Zwickau habe ich dann auch während meines Studiums ein Praktikum gemacht. Als dann das Volontariat anstand, das in unser Journalistik-Studium integriert ist, wollte ich irgendwo hin, wo ich mich auskenne. Ich dachte, dadurch habe ich einen besseren Zugang zu den Menschen. Deshalb habe ich mich im Jahr 2009 bei der Freien Presse beworben. Und den Job glücklicherweise bekommen. Als das Volo vorbei war, bin ich erst einmal zurück nach Leipzig. Im Mai 2013 habe ich gesehen, dass eine Redakteurin für die Oelsnitzer Lokalredaktion gesucht wird. Weil Gehalt und Arbeitsbedingungen stimmten, habe mich wieder beworben und nun bin ich hier.
Vorher hast du gefühlt hunderte Praxis-Stationen durchlaufen – von der Deutschen Presse-Agentur bis zum Bundestag. Was war richtig scheiße?
Das Praktikum beim MDR war ein Flop.
Warum?
Es hat mir die Illusion vom Fernsehen geraubt. Bis zum Beginn des Praktikums stand für mich fest, als Sportjournalistin bei einem Fernsehsender zu arbeiten. Beim Praktikum habe ich gemerkt, dass die Arbeitsbedingungen nicht passen. Die Reporter, die die Beiträge machen, arbeiten nämlich größtenteils als freie Journalisten, während die Festangestellten oftmals nur noch Planungsaufgaben haben. Einerseits war es mir zu langweilig nur zu planen, andererseits war mir die Unsicherheit als Freie zu groß. Also musste ich meine Karriere als TV-Journalistin an den Nagel hängen.
Anika Heber posiert auf dem Oelsnitzer Marktplatz vor dem Rathaus.
Jetzt noch ein kleines Spielchen. Bitte ergänze: Die Freie Presse ist immer …
… auf der Höhe der Zeit.
Wenn meine Probezeit vorbei ist, werde ich …
… immer noch das gleiche machen wie jetzt. Also in der Oelsnitzer Lokalredaktion arbeiten.
In fünf Jahren bin ich garantiert …
… Besitzerin einer Louis-Vuitton-Handtasche. (Lacht.)
Wie teuer ist die denn?
Die kostet mehrere hundert Euro.
In der Grundschule wollte ich Bundeskanzler werden. Heute denke ich, Astronaut wäre – gleich nach Journalist – ein richtig cooler Job. Wo würdest du deine Brötchen verdienen, wenn es keine Redakteursstellen gäbe?
Och, das ist schwierig. Ich wollte eigentlich schon immer Journalistin werden. Vielleicht würde ich mein Geld erst mal wieder als Kellnerin verdienen. In der achten, neunten Klasse hatte ich auch eine Phase, wo ich unbedingt Gerichtsmedizinerin werden wollte. Das fand ich spannend. Die Leichen haben mich nicht gestört.
Der erste Lichtellauf: Der kopfsteingepflasterte Platz vor dem Rathaus in Schneeberg hat an diesem Tag etwas von Volksfest. Es wird sich umarmt und quer über dutzende Köpfe hinweg gerufen: „Bist ja auch da!“. Menschen in Winterjacken stehen in Grüppchen beieinander, manche am Rande des vielleicht fußballfeldgroßen Areals wärmen ihre Hände an Kaffeebechern. In wenigen Minuten soll der erste Schneeberger „Lichtellauf“ beginnen, eine Demonstration gegen Asylmissbrauch, die ein Mann von der NPD angemeldet hat. Der Name Lichtellauf ist angelehnt an das „Lichtelfest“ im Advent, das die Stadt jährlich veranstaltet und damit tausende Besucher in die Bergstadt lockt. Das Lichtelfest hat seit jeher etwas Heimeliges und Märchenhaftes. Weihnachten, Winter, Wunderland. Der Lichtellauf hingegen sollte bald mit Fremdenfeindlichkeit, mit Kälte, mit Nazis assoziiert werden. Bald, doch heute noch nicht. Heute haben sich vor dem Schneeberger Rathaus mehrere hundert Menschen versammelt. Die meisten Männer und Frauen halten sich am Rande des Geschehens auf. Spricht man sie darauf an, warum sie an einer Demonstration teilnehmen, die ein NPD-Mann veranstaltet, sind Antworten wie „Ich will nur mal schauen, was hier so los ist“, Standard. „Wir sind keine Nazis“, sagt der Ein oder Andere. Sie warten also. Schauen. Später laufen die meisten von ihnen nicht mit bei dem Zug gegen „Asylmissbrauch“. Die Mitläufer sind diejenigen, die an diesem Tag in der Mitte stehen, ein Kern aus jungen Männern und einigen Älteren, von denen viele an der zweiten Demonstration zwei Wochen später schon gar nicht mehr teilnehmen werden.
Wer hier in Schneeberg überhaupt Asyl missbraucht, ist noch unklar. Alles, was das Gros an Information hat, ist, dass seit einiger Zeit Asylbewerber in einer ehemaligen Kaserne am Stadtrand untergebracht sind. Nun beginnt der NPD-Funktionär seine Rede. Er behauptet zu wissen, dass die, meist tschetschenischen, Besucher Unruhe in die Stadt brächten. Mehr Kriminalität. Außerdem bekommen sie Geld vom Staat. Das hält manch Schneeberger für unfair. Zwischen Tchibo-Bechern und Zigarettenrauch klagen sie über ihr karges Gehalt und das deutsche Sozialsystem.
Der Applaus vom Rande des Geschehens für die Worte des NPD-Mannes ist jedoch verhalten und leise. Nur die Truppe in der Mitte klatscht laut und bekundet Zustimmung in tiefen Stimmlagen.
“Lügenpresse, auf die Fresse!” und “Wir sind das Volk”
Ich berichte für die Freie Presse über die Veranstaltung. Meine zwei Kollegen sind irgendwo im Getümmel verschwunden. Ich gehe auf die vermeintlich Rechtsgesinnten in der Mitte zu und frage sie nach ihren Motiven. Heute bekomme ich noch Antworten, die von „Wenn sie (die Asylbewerber) schon hier sind, sollen sie sich wenigstens benehmen“, bis hin zu „Die sollen unsere Frauen in Ruhe lassen!“ reichen. Beim nächsten Lichtellauf möchte keiner vom harten Kern, der zwei Wochen später nicht nur größer, sondern auch jünger und männlicher geworden ist, mit der Presse reden. Ein chorales „Lügenpresse, auf die Fresse!“ wird alles sein, was an O-Tönen für Journalisten, die sich als diese zu erkennen geben, zu holen ist. Die Aussagen, die ich heute erhalte, sind wenig aufschlussreich. Keiner von den Interviewpartnern hat mitbekommen, dass die Asylbewerber Frauen angegangen sind, keiner hat kriminelle Handlungen beobachtet, keiner kann überhaupt mit Sicherheit sagen, die Bewohner der Kaserne gesehen zu haben. Doch gehört haben sie es alle. In der Facebook-Gruppe, die der NPD-Funktionär anführt, zum Beispiel. Darin erfährt man, dass ein tschetschenischer Mann in der Umkleidekabine beim Textilwarengeschäft Kik sein Geschäft verrichtet haben soll und Männer aus dem Heim Frauen belästigt hätten.
Nachdem die Protestler begonnen haben, sich zu einem Zug zu formen und vom Rathaus zu entfernen, spricht keiner mehr mit mir. Die Truppe ist damit beschäftigt, „Wir sind das Volk!“ zu skandieren. Einige haben Fackeln in der Hand. Sie stampfen beim Gehen geräuschvoll mit den Füßen. Mir wird mulmig.
Der Lichtellauf endet schließlich ohne besondere Vorkommnisse, „friedlich“ vermerkt die Polizei in einer Presseerklärung im Anschluss an das Geschehen.
In den kommenden Tagen verbreitet sich die Kunde vom Schneeberger Lichtellauf wie ein Lauffeuer. In Chemnitz, in Sachsen, in ganz Deutschland. Vor allem die überregionale Presseberichterstattung verärgert die Schneeberger. Der Osten ist voller Nazis – das Klischee wird in einigen der Artikel nämlich voll bedient. Die Schneeberger fühlen sich stigmatisiert. Die Parteien bis auf die NPD halten Krisensitzungen ab. Was tun, um den Ruf des schönen Schneebergs zu retten? Was tun, damit auch dieses Jahr viele Touristen zum Lichtelfest im Advent anreisen? Zunächst wird ein Friedensgebet veranstaltet. Ich war vor Ort und veröffentlichte die Besucherzahl (750 beim Gebet, 900 bei der anschließenden Kundgebung auf dem Marktplatz), die mir ein Polizist sowie ein Veranstalter nannten. „Lügenpresse“, hieß es daraufhin in der Facebook-Gruppe des NPD-Mannes. So viele Friedensgebet-Teilnehmer können es nie gewesen sein, wird gesagt und geschrieben. In einer Vehemenz, die sogar einen Blogger der „Zeit“ offenbar zu der Überzeugung brachte, dass die Freie Presse im Fall Friedensgebet falsche Zahlen veröffentlicht hätte.
Wenn viele einfach nur “mal gucken” wollen
Zwei Wochen später: der nächste Lichtellauf. Diesmal ohne Fackeln, dafür mit einem Aufruf an Kinder, Lampions mitzubringen. Die Volksfestatmosphäre hat sich erledigt. Diesmal herrscht im Vorfeld der Demonstration Still auf dem Platz vor dem Rathaus. Rechtsgesinnte aus umliegenden Städten sind angereist, der harte Kern in der Mitte ist groß. Am Rande befinden sich nur noch wenige Schaulustige. Keiner von ihnen sagt mehr „Ich will nur gucken“. Stattdessen machen sie mir gegenüber ihrem Ärger Luft, dass die Presse Schneeberg verunglimpfen würde. Doch niemals wäre Schneeberg derart in die Schlagzeilen gekommen, hätten nicht so viele Leute „mal geguckt“.
Nach einer weiteren Demonstration, die auch linke Gegendemonstranten aus verschiedenen Städten anzog, schlief die Lichtellauf-Sache erst einmal ein. Aus Respekt vor der Tradition, so der NPD-Mann, solle für die Zeit des Lichtelfestes keine weitere Aktion stattfinden. Unterdessen wehrt sich die Politik in Schneeberg gemeinsam mit engagierten Bürgern gegen das Negativ-Image. Unter Federführung aller Parteien (mit Ausnahme der NPD) werden Friedensgebete, ein Familienfest mit den Asylbewerbern und Bürgerfragestunden gegen Ängste und Gerüchte veranstaltet.
Wie Außenseiter erzeugt werden…
Ich habe Soziologie studiert und meine allerletzte Prüfung war über ein Buch namens „Etablierte und Außenseiter“ von Norbert Elias. Ich musste während der Berichterstattung über Schneeberg sehr oft daran denken. In „Etablierte und Außenseiter“ geht es um die Frage: Wie genau kommt es eigentlich dazu, dass ganze Gruppen von Menschen ausgegrenzt werden? Juden, Türken, Afroamerikaner. Der Autor nennt viele historische Beispiele und führt eine eigene Studie in einem Dorf, in dem auf Alteingesessene plötzlich Neulinge trafen, die innerhalb kürzester Zeit einen ziemlich schlechten Ruf weg hatten, durch. Unhygienisch, kriminell, hinterhältig, das sind die Adjektive, die auf die „Außenseiter“ angewendet werden – und zwar, so Elias, auf fast alle Außenseitergruppen im Laufe der Weltgeschichte. In besagtem Dorf, bei den Juden, den Türken, den Afroamerikanern. Und in Schneeberg. Aber Achtung! Nicht jede Gruppe kann zur Außenseiter-Gruppe werden. Nur diejenigen, die unter anderem von Anfang an weniger Zusammenhalt haben im Vergleich zu den „Etablierten“, den Mobbern quasi. Das ist in Schneeberg gegeben – die Asylbewerber kennen sich untereinander kaum, die Schneeberger sind miteinander verbandelt und stolz auf ihre Heimat. Auch eine, laut dem Autor von „Etablierte und Außenseiter“, zweite Außenseiter-Vorbedingung erfüllen die Bewohner der ehemaligen Schneeberger Kaserne: Sie sind ärmer an einem Macht-Mittel, das für den sozialen Status wichtig ist. In dem Dorf, das Elias untersuchte, war für den sozialen Status entscheidend, dass man in Vereinen und in der Lokalpolitik Posten innehatte. In Schneeberg ist das Macht-Mittel, das Asylbewerber und Einheimische trennt, das Geld (wie in fast allen kapitalistischen Gesellschaften).
Ein besonders gut funktionierender Trick, um andere zu Außenseiter zu machen, ist Generalisierung. Einer aus einer Gruppe begeht einen Fehler – schon werden alle anderen aus derselben Gruppe mit jenem Fehler assoziiert. Genau das wurde auch in Schneeberg praktiziert: Da mag ein Asylbewerber eine Schneebergerin mehr oder weniger freundlich angesprochen haben – sofort diente es für die Lichtelläufer als Beweis dafür, dass Asylbewerber Frauen belästigen würden. Der Schluss von einem auf alle ist ein Trick, um Menschen auszugrenzen, der in „Etablierte und Außenseiter“ beschrieben wird. Besonders nachdrücklich ist mir in Erinnerung geblieben, welche Reaktionen ein Bild auslöste, dass der NPD-Mann oder einer seiner Mitstreiter auf Facebook postete. Es war unmittelbar nach dem Familienfest mit den Tschetschenen. Auf diesem Bild war ein Mädchen aus dem Asylbewerberheim abgebildet, das ein Handy in der Hand hielt. Auf Facebook stürzte sich alles auf das Foto. Die Kommentare online unter dem Bild und offline in den nächsten Tagen auf dem Schneeberger Marktplatz gingen in die Richtung: „Woher hat die denn das Handy? Von welchem Geld wurde das bezahlt? Aha, die kriegen also Handys finanziert? Und was ist mit uns, ich will auch ein Handy vom Staat.“ Als wäre dieses Bild der ultimative Beweis dafür, dass diese Menschen, die in ihrer Heimat alles zurücklassen, um in ein Land zu reisen, wo sie sich Hilfe erhoffen, mit eiskaltem Kalkül das Sozialsystem ausnutzen würden. Das Youtube-Video, das die Lichtelläufer mit ihren Fackeln „Wir sind das Volk!“-rufend zeigt, erfüllte eine ähnliche Funktion. Der ultimative Beweis, dass alle Schneeberger Nazis sind. Und dass die Presse eine falsche Zahl veröffentlicht hat, ist der Beweis, dass die Presse an sich ein gleichgeschaltetes Lügengebilde ist. Gefeit ist niemand vor der Ausgrenz-Automatik. Auch wir nicht. Dagegen hilft nur Nachdenken.
Da ist er. Der Schnee. Zwar nicht in den Massen, vor denen ich mich gefürchtet habe, aber immerhin. In Carlsfeld, einem kleinen Ort in 850 Metern Höhe und nahe der tschechischen Grenze gelegen, habe ich den Erzgebirgswinter noch gefunden. Doch angesichts der wenigen Krümel kann ich meine dicken Thermo-Schneestiefel und die neue Daunenjacke zu Hause lassen. Auch die neuen Winterreifen hätte ich mir sparen können. Und zum Glück hab ich mich in letzter Minute noch überzeugen lassen, keine Schneeketten zu kaufen.
In Carlsfeld habe ich ein kleines bisschen Schnee gefunden.
Im Hochsommer vergangenen Jahres habe ich erfahren, dass ich von Januar bis März meine Volontariats-Station im Erzgebirge absolvieren werde. Ein harter Brocken für mich als Chemnitzerin – oder Flachländerin, wie mich ein Kollege aus dem Erzgebirge kürzlich im Spaß nannte. „Ich hab mir damals eine dicke Jacke gekauft“, sagte eine Chemnitzer Kollegin mit ernstem Gesicht. Sie selbst hatte den schneereichen Winter 2010 im Erzgebirge verbracht. „Sind das etwa deine Winterstiefel für das Erzgebirge?“, fragte eine andere Kollegin aus Flöha völlig fassungslos, als sie mich in braunen Lederstiefeln mit Absatz sah. Als Volontär sollte man auf die erfahrenen Redakteure hören – die müssen es ja schließlich wissen. Also nichts wie her mit den dicken Stiefeln und Jacken.
Ausgerüstet und warm eingepackt kam ich im Januar im Erzgebirge an. Die „Freie Presse“ hat in dieser Gegend insgesamt sechs Lokalredaktionen. In jeder davon können wir Volontäre während unserer zwölf Wochen umfassenden Zeit hier eingesetzt werden. Es dauerte nur wenige Tage, bis die Kollegen mich stirnrunzelnd fragten, warum ich eigentlich so einen dicken Mantel anhabe, es wäre doch frühlingshaftes Wetter.
Bei frühlingshaften Temperaturen würde es in den dicken Schneestiefeln viel zu warm werden.
Aber wer hätte das denn ahnen können? Wer hätte vorhersehen können, dass es dieses Jahr keinen knietiefen Schnee, rutschiges Eis und klirrenden Frost bis in den März geben wird? Davon gehen wir Chemnitzer nämlich aus, wenn wir an den Winter im Gebirge denken. Denn warum sonst sagen die Erzgebirger immer: „Die Chemnitzer kennen keinen richtigen Winter“?
Die dicke Jacke bleibt jetzt auf jeden Fall im Schrank. Auch die Thermostiefel stehen unbenutzt rum. Aber der nächste Winter kommt bestimmt und vielleicht bin ich dann ja wieder im Erzgebirge – ausgerüstet bin ich jedenfalls perfekt.
Während der ersten Volo-Wochen, aber auch schon während meiner Praktika und in meinem Jahr als freie Mitarbeiterin, durfte ich immer wieder feststellen, dass man als Journalistin viele tolle Menschen kennenlernt. Dennoch sind Gespräche mit ihnen manchmal anstrengend. Deshalb hier ein Versuch zusammenzutragen, mit welchen schwierigen Typen von Gesprächspartnern man zu tun bekommen kann und wie man am besten mit ihnen umgeht. Ähnlichkeiten mit lebenden Personen sind nicht beabsichtigt, sondern rein zufällig. ;)
Plaudertaschen kommen nicht zum Punkt. Foto: (Peter Nijenhuis/Flickr, Creative-Commons-Lizenz)
Woran du sie erkennst: Sie antworten mit einem Halbsatz auf deine Frage – dann schweifen sie ab und erzählen dir alles Mögliche, nur nicht das, was dich interessiert. Sie zu unterbrechen ist so gut wie unmöglich.
Vorteile: Sie sind bereit, mit dir zu reden – sie haben sogar Spaß dabei.
Nachteile: Die Termine ziehen sich unendlich in die Länge – es dauert ewig, bis du deine Informationen hast. Falls du sie bekommst.
Wie du damit umgehst: Möglichst konkrete, kleinteilige Fragen stellen. Zur Not auch dieselbe Frage in verschiedenen Variationen, wenn sie nicht beantwortet wurde. Sei kreativ!
Weltversteher erklären dir – alles. Und zwar ungefragt. (Foto: cybrarian77/Flickr, Creative Commons-Lizenz)
Woran du sie erkennst: Sie glauben, alles zu wissen und teilen dieses Wissen mit jedem – auch ungefragt. Deshalb erzählen sie dir auch als erstes, dass alles falsch ist, was bereits zum Thema, über das du mit ihnen sprechen möchtest, in der Zeitung stand. Auf deine Fragen antworten sie besserwisserisch und ausschweifend. Aber immerhin antworten sie darauf und erzählen nicht irgendetwas Anderes (siehe -> Plaudertaschen).
Vorteile: Du brauchst dir keine Sorgen zu machen, dass du deine Informationen bekommst.
Nachteile: Du musst sie zwischen all dem Geschwafel erst mal erkennen.
Wie du damit umgehst: Sei konzentriert und aufmerksam. Stärke dich am besten mit einem Kaffee.
(Groß-)Elterliche Gesprächspartner umsorgen dich und trauen dir nichts zu. (Bild: Georgios Jakobides: Grandma’s Favourite)
Woran du sie erkennst: Sie behandeln dich wie Kinder. Sie tätscheln deine Schultern, trauen dir nichts zu und nennen dich Kind(chen). Außerdem lachen sie über alles, was du sagst oder tust – auch darüber, dass du dir Notizen machst.
Vorteile: Eigentlich sind sie sehr nett. Und ein bisschen wie deine eigenen Großeltern. Außerdem bekommst du Kaffee und Kuchen („Essen Sie doch was, Sie können’s gebrauchen!“).
Nachteile: Nicht ernst genommen zu werden kann gehörig an der Souveränität rütteln. Wenn du dich aus dem Konzept bringen lässt, leidet vielleicht deine Konzentration.
Wie du damit umgehst: Älter wirken: Mach deine seriöseste Frisur, setz deine Brille auf und zieh einen Blazer an. Färb dir zur Not graue Strähnen. Vor allem aber: Zeig deine Kompetenz.
Verteidiger fühlen sich angegriffen, egal wie harmlos deine Fragen sind. (Foto: Andrew Becraft/Flickr, Creative-Commons-Lizenz)
Woran du sie erkennst: Egal wie harmlos deine Frage ist: Sie gehen davon aus, dass du etwas Negatives über sie schreiben möchtest. Deshalb gehen sie in die Defensive: „Das ist nicht allein unser Problem, das betrifft auch andere!“, „Die ähnliche Situation vor x Jahren wurde damals medial maßlos aufgebauscht!“
Vorteile: Ähnlich wie -> Plaudertaschen sind Verteidiger grundsätzlich bereit, mit dir zu reden. Du musst ihnen nur vorher die Angst nehmen
Nachteile: Wenn die Angst vor negativer Berichterstattung sehr tief sitzt, braucht es unter Umständen viel Fingerspitzengefühl, um die benötigten Informationen aus den Verteidigern heraus zu kitzeln.
Wie du damit umgehst: Sei einfühlend und beruhige dein Gegenüber. Mach dem Gesprächspartner klar, dass es dir nicht darum geht, ihn negativ darzustellen. Erkläre ihm, dass du nur die Fragen beantworten möchtest, die sich der Leser stellt. Und – falls das der Fall ist – dass du sie auch anderen Personen stellst.
Rückzieher erzählen dir spannende Geschichten – und nehmen alles gesagte wieder zurück. (Foto: martin/Flickr, Creative-Commons-Lizenz)
Wie du sie erkennst: Zu spät. Denn am Anfang sieht alles so schön aus: Sie beantworten bereitwillig deine Fragen, reden verständlich und zitierfähig. Sie geben dir wirklich interessante Einblicke in ihre Arbeit oder ihr Leben. Der Schock kommt erst am Ende des Gesprächs: „Ich möchte aber nicht, dass das in der Zeitung steht.“
Vorteile: Du hast alles, was du für eine interessante, lebendig erzählte Geschichte brauchst.
Nachteile: Du kannst nichts damit anfangen.
Wie du damit umgehst: Auch hier brauchst du viel Fingerspitzengefühl (-> Verteidiger). Versuche herauszufinden, welche Bedenken dein Gegenüber gegen eine Veröffentlichung hat und versprich, genau darauf zu achten (das musst du dann natürlich auch tun) oder erkläre, warum sie unbegründet sind. Wenn dein Gegenüber Angst hast, dass du etwas falsch verstehst, kann du vereinbaren, dass du ihn noch mal anrufst, wenn du das Gefühl hast, dass etwas unklar ist.