Homogen war noch ein schwacher Begriff für die Anzugsordnung, die sich bei den Passagieren des Flugs Berlin-Brüssel abzeichnete. Fast alle trugen feinen Zwirn. Nur zwölf junge Leute nicht, darunter ich. Wir gehörten einer Reisegruppe von Volontären aus Ost- und Norddeutschland an, die die Arbeit der Europäischen Union vor Ort in Brüssel kennenlernen durften.
Die 48 Stunden, die uns dafür zur Verfügung standen, waren mehr als gut gefüllt. Auf dem Plan standen Gespräche mit Referenten, Diskussionen mit Pressesprechern, Besuche in offiziellen Vertretungen der Staaten und Bundesländer. Ein kleiner Höhepunkt war die Teilnahme an der Mittagspressekonferenz, zu der an diesem Tag der Wettbewerbskommissar Joaquin Almunia eingeladen war. Almunia sprach über die Fusion von Fluggesellschaften und die Subventionierung von Nuklearkraftwerken in Großbritannien – kein leichter Stoff, wenn man nicht in eben diesem steht. Den zweiten Tag verbrachten wir überwiegend im Europäischen Parlament – allerdings ohne auch nur einen der 766 Abgeordneten zu Gesicht bekommen zu haben. Die waren in Straßburg, am Hauptsitz und eigentlichen Tagungsort.
Am Abend blieb dann noch etwas Zeit, die Stadt zu erkunden. Wenn sich Gegensätze anziehen, dann ist Brüssel wie ein großer Magnet. Waffeln und Pralinen für die einen, Bier und Pommes für die anderen. Gotische Prunkbauten für Geschichtsfans und Glas-Stahl-Gebäude für die Freunde moderner Architektur. Alles auf engstem Raum und irgendwo dazwischen (ja, man muss ihn schon etwas suchen) den Manneken Pis, den kleinen (in der Tat!) wasserlassenden Mann, der weltberühmt geworden ist (warum eigentlich?).
Und was hat das alles nun mit der Arbeit eines Lokaljournalisten zu tun, und warum war ich überhaupt in Brüssel? Die juristische Antwort: Ein Großteil der Gesetze und Richtlinien, die in Deutschland zur Anwendung kommen, werden genau dort verabschiedet. Nicht zu vergessen die vielen Fördermittel, die aus Brüssel fließen und auf die zum Beispiel mit den nicht zu übersehenden „EFRE“-Schildern aufmerksam gemacht wird. Die praktische Antwort: Auch wir Journalisten blicken häufig wie die – na sie wissen schon – ins Uhrwerk, wenn es um die EU geht. Auch für uns ist also ein Blick in das Räderwerk der ganz großen Politik sehr hilfreich.
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