Benjamin Schmidt hat im Mai sein Volontariat bei „Freie Presse“ begonnen. Das hat er gelernt.
Viele Notizen und zwei Fragen
Zweiter Tag bei „FP“, erster Termin. Mit Block und Stift geht’s los. Eine Schule wurde gekürt als die fahrradfreundlichste der Republik. Eigentlich will ich nur wissen, was eine radfreundliche Schule ist und wie man diesen Preis gewinnt.
Statt der Antworten bekomme ich hunderte Schüler in einer Aula. Sie berichten über Lernprojekte und was in der vergangenen Woche alles geschehen ist. Ich notiere fast jedes Wort, irgendwann habe ich vergessen, was ich überhaupt wissen wollte.
Nach einer Stunde mit Vorträgen und Applaus bekomme ich endlich eine Unterhaltung mit den Verantwortlichen. Die meisten Notizen davor hätte ich mir sparen können, aber das wusste ich erst hinterher.
Lektion 1: Vergiss nicht, welche Fragen Du eigentlich beantworten willst.
Lektion 2: Egal wie viel Du notierst: Zu viel ist immer besser als zu wenig.
Die Sache mit den Politikern und dem Dankeschön
Wenn morgens Anzug-Männer an Spielplatz-Rutschen stehen ist klar: Diese Anlage wird gerade eröffnet. Umringt von Wippe, Schaukel und Sandkasten hält der Bürgermeister eine Rede und lobt jeden, der einen Beitrag zum Bau geleistet hat. Dankbar notiere ich alles, über ein leeres Blatt muss ich mir keine Sorgen mehr machen.
Zurück in der Redaktion. Warum steht in meinem Artikel ein Dank an Unternehmer, die für den Spielplatz Geld kassiert haben, werde ich gefragt. Und warum darf der Bürgermeister so viel sagen? Habe ich keine Anekdoten, Kinderstimmen oder Meinungen der Anwohner? Habe ich zum Glück.
Lektion 3: Keine Danksagungen, wenn Menschen einfach ihren Job gemacht haben.
Lektion 4: Politiker dürfen nur in den Text, wenn sie wirklich was zu sagen haben.
Das Diktat in den Block
Der Aldi will umziehen. Vom Stadtrand will er einige hundert Meter ins Zentrum wandern, Widerstand regt sich. Geschäftstreibende haben Angst vor Umsatzeinbußen, Anwohner vor Lärm und noch etwas.
Ich klopfe an die Tür eines Häuschens, an dessen Hecke ein Protest-Banner hängt. Ein netter Rentner öffnet. Wenn der Aldi kommt, sinkt der Wert seines Grundstücks, erzählt er. Ist notiert.
Nachmittags werde ich gefragt, ob der Grundstückspreis nicht auch steigen könne, wenn direkt nebenan ein Supermarkt steht. Verdammt. Könnte natürlich auch sein.
Lektion 5: Lass Dir nicht alles in den Block diktieren – denk nach bevor Du schreibst.