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Channel: Der Volo-Blog der Freien Presse
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Frag den Volo: Wie lange gibt es die gedruckte Zeitung noch?

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Kollegen fragen, Volontäre antworten. Heute: Ihr müsst’s ja wissen: Wie lange gibt es die gedruckte Zeitung noch? (Diese Frage hat Sascha Aurich, Nachrichtenchef, gestellt.)

von Andreas Klinger

Vor einigen Wochen beim Fußballschauen fragte mich ein alter Uni-Bekannter etwas beiläufig, wo ich denn jetzt arbeite. „Bei der Zeitung“, antwortete ich und hob den Bierkrug in der Annahme, erstmal alles zum Thema gesagt zu haben. Doch mein Kollege schaute mich zunächst verdutzt an. Für einen kurzen Moment verschwanden die Fragezeichen aus seinem Gesicht: „Ah, you mean news portal, which one? Spiegel Online?” „No, daily newspaper, printed press, you know?“, antwortete ich darauf. Und da war sie plötzlich wieder, die Verwirrung im Gesicht meines Trinkgenossen. „These things really still exist?“, fragte er in völligem Ernst. Man muss dazu sagen, der Gute stammt aus Indien und bringt von Hause aus eine sehr große Affinität für alles Digitale mit.

Meinen Bekannten beruhigte es zumindest etwas, als ich ihm erklärte, dass „Freie Presse“ natürlich neben dem obligatorischen Web-Auftritt auch ein E-Paper und eine News-App betreibt sowie bei Facebook und Twitter postet. Doch was die Printausgabe anbelangt, zog er ein kurzes aber klares Fazit: „No future.“ Warum er das glaubt? Keiner seiner Freunde und Bekannten liest Zeitung. Die Familie daheim habe ihr Abo längst gekündigt. Zu teuer, und das, was wichtig ist, stehe ja ohnehin alles im Netz. Nun, diese Antwort kam mir doch irgendwie bekannt vor. Klar, von eigenen Bekannten aus meiner Heimatstadt, die bereits vor Jahren die Berliner Zeitung abbestellt hatten. Es sind also nicht nur die Jüngeren, die der gedruckten Tageszeitung den Rücken kehren. Als Anachronismus bezeichnete ein TU-Professor jüngst die Zeitung. Auch er: Informatiker. Springer-CEO Mathias Döpfner sprach jüngst von einem „strukturell rückläufigen Geschäft“.

Das Ende der gedruckten Zeitung – nur noch eine Frage der Zeit? Schaut man sich die Entwicklung von Abozahlen und Einzelverkäufen regionaler und überregionaler Blätter an, ist der Abwärtstrend über die letzten Jahre klar erkennbar. Dass es gerade die Bild-Zeitung und andere Boulevard-Blätter am härtesten getroffen hat, mag da dem einen oder anderen noch etwas Schadenfreude abringen. Nur wenige Print-Erzeugnisse konnten ihre verkaufte Auflage  in den letzten Jahren steigern oder zumindest stabil halten. Der Wirtschaftswoche gelang es als einzige Zeitschrift bisher, den Rückgang der Print-Verkäufe durch ihre E-Paper-Abos wettzumachen. Doch ansonsten? Da gäbe es noch „Junge Freiheit“ und „Der Freitag“ –  mit konstant steigenden Verkaufszahlen, zumindest bis zum 2. Quartal 2018. Beides sind jedoch Wochenzeitungen mit eher geringer Auflage und einer klaren politischen Verortung. In der Nische hat Print möglicherweise eine Zukunft.

Erik Kiwitter (53), Lokalchef bei der „Freien Presse“: „Woran ich zuerst gemerkt habe, dass die Zeitung leider langsam stirbt? Früher musste ich im Urlaub immer an den Zeitungskiosk, um mich über die Fußballergebnisse zu informieren Seitdem ich seit ein paar Jahren ein Smartphone besitze, kann ich mir diesen Weg sparen.“

Der Trend hat sich seitdem fortgesetzt. Doch wie lange wird es die gedruckte Zeitung im Regionalen nun noch geben? So lange, wie die Generation lebt, der ein Display nicht als Ersatz für knisterndes, duftendes Papier taugt. Das kann noch dauern – zehn Jahre, vielleicht 20 Jahre oder mehr.  Doch irgendwann wird ein Großteil der jetzigen Print-Abonnenten nicht mehr unter uns sein. Die eigentliche Frage sollte nicht dann erst sein: Wie schaffen die regionalen Medien es,  die heute jüngere Generation zu motivieren, Geld für lokale Nachrichten auszugeben?

Alle bisherigen Teile unserer Serie „Frag den Volo“ sind hier zu finden.


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